Das Tempo des technologischen Wandels ist rasant und für Unternehmen ist es schwierig zu entscheiden, auf welche Konzepte und Methoden sie setzen wollen. Welches sind die aktuellen Makrotrends, die einen Wettbewerbsvorteil bieten können? Und wie können die ersten Schritte zur Umsetzung aussehen?
Ein Kommentar von Erik Dörnenburg, Head of Technology bei Thoughtworks:
Hostile Tech – von kriminell bis unbeabsichtigt
„Feindliche“ Technologie wird in der Regel mit kriminellen Machenschaften assoziiert, wie Ransomware und Datendiebstahl. Aber auch legale und oft allgemein akzeptierte Aktivitäten wie Werbung und gezielte Kundenansprache können von Nutzer:innen als Bedrohung angesehen werden. Darüber hinaus gibt es unbeabsichtigte Verzerrungen in Algorithmen oder maschinellen Lernsystemen.
Hostile Tech rückt immer weiter in den Fokus, mit steigendem Konfliktpotential. Die Vorbehalte von Verbraucher:innen gegenüber den negativen Auswirkungen des Einsatzes von künstlicher Intelligenz sowie Werbe- und Marketingtechnologien nehmen zu, genauso wie die Kritik daran, wie Social-Media-Kanäle gesellschaftliche Debatten prägen und beeinflussen.
Die zunehmende Regulierung rund um Datenerfassung, -speicherung und -nutzung, wie zum Beispiel in der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), spiegelt die kritische Haltung der Verbraucher:innen und den Wunsch nach Datenschutz wider.
Diese Entwicklungen bieten einen klaren Vorteil zur Positionierung für Unternehmen, die einerseits in den Schutz gegen vorsätzliche Hackerangriffe investieren und andererseits darauf achten, Kundenwünsche zu respektieren, indem sie unseriöse Zielgruppenansprache vermeiden. Das trägt zum Vertrauen der Kund:innen bei und fördert ein positives Image.
Der Schutz gegen Cyberangriffe lässt sich durch die sichere Bereitstellung von Software über den gesamten Lebenszyklus hinweg optimieren. KI-basierte Lösungen bieten erweiterten Schutz gegen Cyberattacken, dürfen aber nicht als Allheilmittel betrachtet werden. Gleichzeitig sollten Unternehmen ein solides Rahmenwerk für ihre Datenethik entwickeln und nur erforderliche Kundendaten erfassen.
Die Mensch-Maschine-Erfahrung: Das Metaversum kommt
Die Art und Weise, wie wir mit der digitalen Welt interagieren, verändert sich. Geräte werden durch Gesten und Sprachinteraktion erweitert. Das Metaversum, eine neue digitale Realität auf der Grundlage von AR- und VR-Technologie, ist aktuell in aller Munde. Der weltweite Markt für das Metaversum wird bis 2028 auf über 800 Milliarden US-Dollar wachsen und immer mehr Player steigen in den Markt ein.
Neue Plattformen werden neue Arten der Monetarisierung für Unternehmen bringen – auch über reine Werbung hinaus. Während das Metaversum noch etwas weiter weg ist, kommen Technologien wie NLP (natürliche Sprachverarbeitung) bereits häufig zum Einsatz, zum Beispiel im Customer Service. Konzepte für Augmented Reality, die die reale mit der virtuellen Welt verbinden, sind auf dem Vormarsch, z.B. beim Kauf von Kleidung oder Möbeln.
Unternehmen, die auf solche neuen Technologien setzen wollen, müssen rechtzeitig die erforderliche Spezialkompetenz in der Softwareentwicklung aufbauen. Dabei sollten sie immer im Blick haben, dass Technologien wie AR und VR das Nutzererlebnis und den Designprozess grundlegend verändern.
Neben den Anwendungen für Consumer wird es auch viele neue Einsatzmöglichkeiten im B2B-Bereich geben. Trainings und Konferenzen sind die klassischen Beispiele, aber man denke z.B. an Szenarien wie intelligente Drohnen in der Landwirtschaft.
Nachhaltige IT wird zum Imperativ
Verbraucher:innen, Regierungen und Investor:innen fordern von Unternehmen eine größere Verantwortung für die Umwelt ein. Nachhaltigkeit ist zu einem geschäftlichen Imperativ geworden. Der Druck wächst: Wenn 2023 die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in Kraft tritt, sind auch kleinere Unternehmen ab 250 Mitarbeiter verpflichtet, über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu berichten.
Technologie trägt wesentlich zum Klimawandel bei, und viele Technologieunternehmen versuchen, dieses Problem anzugehen – sei es durch den Bau energieeffizienter Rechenzentren, den Einsatz von Energie aus erneuerbaren Quellen oder durch die Analyse ihrer Anbieter und Lieferketten.
Technologie kann auch dazu beitragen, unser tägliches Leben nachhaltiger zu gestalten, indem sie zum Beispiel Smart Cities unterstützt. Hier lässt sich mithilfe von Technologie der Verkehr optimieren, um die Umweltverschmutzung zu reduzieren.
Unternehmen sollten die Umweltkosten ihrer Produkte und Aktivitäten kontinuierlich überwachen und messen. Dies versetzt sie in die Lage, schnell wirkungsvolle Maßnahmen einzuleiten, die den Ressourcenverbrauch und damit die Kosten senken. Green-Cloud-Optimierung für Rechenzentren ist z.B. ein wichtiger Schritt für mehr Nachhaltigkeit.
Im Idealfall wird ein Rechenzentrum mit lokaler erneuerbarer Energie versorgt und nutzt Infrastruktur-Software, die den Energieverbrauch minimiert. Technologieunternehmen sollten zudem unbedingt darauf achten, dass Prinzipien der Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette eingehalten werden. Alle Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit sollten transparent an die Kund:innen kommuniziert werden, um den hohen Stellenwert deutlich zu machen.
Partnerschaft mit KI
Maschinelles Lernen (ML) und künstliche Intelligenz (KI) sind in allen Branchen auf dem Vormarsch. Anwendungsfälle reichen von der Automatisierung alltäglicher Geschäftsprozesse bis hin zur Unterstützung strategischer Entscheidungsfindung. Unternehmen haben viele Möglichkeiten, produktive Partnerschaften zwischen ihren Mitarbeiter:innen und KI zu entwickeln.
Der Markt für KI boomt. IDC prognostiziert einen weltweiten Umsatz von über 500 Milliarden US-Dollar für KI-Lösungen und -Services bis 2024. Doch Deutschland hinkt hinterher. Laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage sehen sich drei Viertel der deutschen Unternehmen noch als Nachzügler in punkto KI.
Für ihre KI-Initiativen sollten Unternehmen die KPIs sorgfältig definieren und den Fortschritt regelmäßig messen. Nur so lässt sich zuverlässig bewerten, ob KI einen echten geschäftlichen Mehrwert bringt. KI-Anwendungen erfordern Datenzugriff und optimale Datenqualität, sodass Unternehmen vorab in ein leistungsfähiges Datenmanagementsystem investieren sollten.
Beim Einsatz von KI ist es wichtig für Unternehmen zu verstehen, wann Automatisierung das Ziel sein soll und wann Verstärkung durch KI sinnvoll ist. KI kann repetitive Prozesse vollständig automatisieren, was die Produktivität erhöht. Dadurch können zwar Arbeitsplätze wegfallen, aber es werden auch neue Rollen geschaffen, die mehr Urteilsvermögen und Kreativität erfordern.
In anderen Fällen ist KI-Augmentation die richtige Wahl, wobei Mensch und Maschine kombinierte oder sich ergänzende Aufgaben übernehmen. Dabei geht es in der Regel um strategische Entscheidungen, die Erfahrung und Weitblick erfordern. Ein Beispiel ist die KI-gestützte Produktentwicklung oder dynamische Simulationen für die Planung komplexer Szenarien wie dem Klimawandel.
Unternehmen sollten die Verantwortung sehr ernst nehmen, die sie beim Einsatz von KI-Lösungen tragen und die ethischen Implikationen berücksichtigen. KI dringt in komplexe und sensible Bereiche wie Finanzierung und medizinische Diagnostik vor, und KI-gestützte Entscheidungen können unbeabsichtigte negative Folgen haben.