Welche Rolle nimmt der Chief Information Officer (CIO) in Zukunft ein? Wie gestaltet sich das Zusammenspiel mit dem Chief Digital Officer (CDO)? Darüber schreibt Prof. Dr. Volker Gruhn, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der adesso SE sowie Lehrstuhlinhaber für Software Engineering an der Universität Duisburg-Essen.

Im Top-Management ist gerade Bewegung. Neue Rollen und Verantwortlichkeiten rund um die IT kämpfen um ihren Platz in der Führungsriege. Diese Vielfalt hat durchaus ihre Berechtigung. Denn den Druck der Digitalen Transformation spüren viele Verantwortliche.

Ein prominentes Beispiel: Die Automobilbranche. Sie arbeitet intensiv daran, die Transformation hin zum Software-defined Car voranzutreiben. Das funktioniert nur, wenn Hersteller den IT-Dschungel im Auto lichten. Wenn sie die Prozesse rund um Erstellung und Wartung von Software neu denken. Ähnliche Entwicklungen gibt es in allen Branchen.

Mancher Vorstand traut dem klassischen CIO weder die dafür nötigen Fertigkeiten noch die Kreativität zu. Das Gremium beruft deshalb einen CDO. Sie oder er soll digitale Innovationen vorantreiben und so die unternehmerische Zukunft federführend bestimmen. Dagegen hält der CIO weiterhin alle IT-Systeme möglich störungsfrei am Laufen. So zumindest die Vorstellung.

Aber: Eine Diskussion darüber, wer nun die wichtigere Rolle bei der Digitalen Transformation einnimmt, ist nicht zielführend. Unternehmen brauchen vielmehr den engen Schulterschluss zwischen CIO und CDO. Denn IT kann ihre ganze Schlagkraft nur dann entfalten, wenn die Verantwortlichen nicht in Kategorien von „neu“ und „alt“ denken.

Eine von Fachabteilung und CDO initiierte Marketingkampagne auf Basis von Echtzeitdaten mag noch so packend sein. Ohne Kundendaten aus dem CRM-System – Hoheitsgebiet des CIO – bringt sie kaum den gewünschten vertrieblichen Erfolg.

Organisationsformen, die diese Abhängigkeiten nicht berücksichtigen, werden sich schwertun. Die Verbindung zwischen einzelnen IT-Disziplinen und -Teams zu kappen, ist der falsche Weg. Eine zukunftsfähige IT verlangt beides – innovative Methoden und stabile Prozesse. Und das unter einem Dach.

Der Ansatz der sogenannten Ambidextrie liefert dafür eine überzeugende Blaupause. Die Übersetzung des recht sperrigen Begriffs macht die Idee klar: In Ambidextrie stecken die lateinischen Wörter für „beide“ (ambo) und „rechte Hand“ (dextera). Übertragen auf die IT bedeutet das: Es gibt eine – wirklich nur eine – IT. Dafür braucht es die richtigen Rollen an den richtigen Stellen. Nämlich CIO und CDO.

Mit Betonung auf „und“. Erster ist in der Regel für die gesamte IT-Strategie, die technologische Infrastruktur und die Applikationen verantwortlich. Er hat so Zugang zu unzähligen Datenquellen. Und Daten sind der Rohstoff, aus denen der CDO und sein Team die Zukunft bauen: Sie liefern die Grundlage für schlankere Prozesse oder bessere Angebote.

Die eine Rolle kann also nicht ohne die andere.
Die Gefahr besteht, dass in diesem Zweiergespann unterschiedliche Kulturen und Selbstverständnisse für Reibereien sorgen. Dem müssen alle Beteiligten entgegenwirken. Auf menschlicher Ebene sind Verständnis für und Respekt vor der Arbeit des anderen unabdingbar. Gemeinsame Zielvereinbarungen und Erfolgskriterien helfen, die Vorstellungen auf beiden Seiten zu synchronisieren.

Aber auch der Vorstand sollte realistische Erwartungen an seinen CDO stellen: Er kann nicht in kurzer Zeit ausgleichen, was ein Unternehmen jahrelang bei der Transformation versäumt hat. Digitale Wunder passieren nicht über Nacht.

Vielen Unternehmen würde die Rolle des CDO guttun, um Veränderungen anzustoßen, neue Themen zu setzen und das passende Mindset zu etablieren. Nichts ist lähmender, als in festgefahrenen Arbeitsweisen zu verharren. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass die Rolle des CIO bedeutungslos wird – im Gegenteil.

Weitere Beiträge....