Prozesskosten senken – Wertschätzung von Fachkräften steigern: Michael Petri, Geschäftsführer und CCO von simple system erklärt in diesem Gastbeitrag wie Unternehmen ihre Prozesskosten senken können und dadurch nicht nur versteckte Einsparpotenziale heben, sondern die Wertschätzung von Fachkräften einhergehend steigern können.
Überall dort, wo Maschinen laufen, sind C-Teile notwendig. Bei der Beschaffung dieser C-Teile entstehen Prozesskosten, die von den meisten Unternehmen gar nicht wahrgenommen werden. Dabei können sie vor allem in der indirekten Beschaffung überproportionale Kostendimensionen erreichen.
Obwohl selbst viele kleine Unternehmen heute mit Kanban-Systemen und einer relativ automatisierten Bestellung arbeiten, werden diese C-Teile noch immer sehr traditionell geordert. Dabei verstecken sich hier oft dramatische Prozesskosten, die sich dank automatisierter Prozesse stark reduzieren ließen.
Ein Vergleich zwischen traditionellen und modernen Prozessen zeigt, wie groß der Vorteil für Unternehmen gerade bei Fachkräftemangel und in Zeiten, in denen an allen Ecken und Enden massiv gespart werden muss, sein kann.
Kostenfalle klassischer Beschaffungsprozess
Alle Kosten, die mit den betrieblichen Abläufen verbunden sind und ihnen zugerechnet werden können, lassen sich als Prozesskosten verbuchen. Soweit die Theorie der Betriebswirtschaftslehre. Doch in der Praxis bleiben die Prozesskosten in Unternehmen häufig unbeachtet.
Vor allem bei der Beschaffung von C-Teilen lohnt sich aber eine Analyse der Prozesskosten, denn diese übersteigen in vielen Fällen den Warenwert der tagesnotwendigen Artikel und Waren deutlich. Ein Vergleich der Prozesskosten beim klassischen Beschaffungsprozess im Vergleich zu dem mithilfe einer Beschaffungsplattform zeigt den drastischen Kontrast.
C-Teile haben meist nur einen geringen Warenwert, sind jedoch essenziell für betriebliche Abläufe. Ihre Beschaffung führt häufig zu extrem hohen Prozesskosten. Denn in vielen Unternehmen läuft der Beschaffungsprozess noch auf althergebrachte Weise mit zahlreichen manuellen Tätigkeiten ab.
Ein Beispiel aus der Betriebspraxis verdeutlicht den Aufwand:
Ein Dreher braucht dringend Vierkantschrauben. Fix recherchiert er im Web. Doch bevor er bestellt, muss er eine Bedarfsanforderung (BANF) in SAP erstellen. Das kostet den Dreher circa 15 Minuten Arbeitszeit. Leider sind die Vierkantschrauben – aufgrund aktueller Lieferprobleme – teurer als sonst. Daher muss der Vorgesetzte des Drehers den Kauf prüfen und genehmigen.
Dafür fallen mindestens fünf Minuten Arbeitszeit an. Nun prüft das Controlling, ob alle Daten (beispielsweise die Kontierung) korrekt sind, bevor es den Bedarf in SAP auslöst, was auch wiederum fünf Minuten in Anspruch nimmt. Die BANF wird nun in eine Bestellung umgewandelt und vom Einkauf auf Preis und Liefertermin geprüft.
Zusätzlich fragt der Einkauf beim Lieferanten bezüglich Verfügbarkeit und Liefertermin an. Der Zeitbedarf für diese Schritte liegt bei mindestens 30 bis 45 Minuten, manchmal länger, wenn der Angefragte nicht direkt verfügbar ist oder zeitnah antwortet.
Nun müsste der Lieferant eine Auftragsbestätigung schicken. Tut er dies nicht, mahnt der Einkauf diese bei ihm an, damit sind weitere fünf bis zehn Minuten auf der Uhr. Einige Tage später trifft die Ware ein.
Der Wareneingang prüft, ob die richtigen Schrauben in der bestellten Menge geliefert wurden. Der Eingang der Ware wird in SAP verbucht und der Dreher bestätigt, dass seine Schrauben angekommen sind.
Diese Vorgänge brauchen ungefähr 15 Minuten Arbeitszeit. Zuletzt prüft die Finanzbuchhaltung die Rechnung und verbucht sie. Für die Freigabe müssen möglicherweise Unstimmigkeiten bezüglich des Preises und weiterer Faktoren geklärt werden, was mindestens 10 bis 15 Minuten Aufwand bedeutet.
Summa summarum beläuft sich also die Bearbeitungszeit für alle Prozessschritte auf insgesamt circa 105 Minuten – erschreckende 1 h 45 min pro Bestellung! Multipliziert man das mit dem internen Stundensatz, kommen irre Summen an Prozesskosten zusammen. Diese exemplarischen Kosten sind – je nach Ware und Aufwand – nach oben hin offen.
Beschaffungsplattform als betriebliches Sparwunder
Kalkuliert man die Kosten, die Betriebe mit einer Beschaffungsplattform haben, im direkten Vergleich, entsteht das folgende Bild: Der anfordernde Dreher findet die passenden Vierkantschrauben rasch mittels Suchbegriff im Onlinekatalog der Beschaffungsplattform und legt sie in den Warenkorb. Dieser wird samt den Kontierungsdaten direkt in das ERP überstellt.
Dort wird automatisiert eine BANF erzeugt. Der gesamte Vorgang dauert nicht einmal fünf Minuten. Die Vierkantschrauben sind – aufgrund derzeitiger Lieferprobleme – teurer als sonst. Daher muss der Vorgesetzte den Kauf prüfen und genehmigen, was sicherlich fünf Minuten dauert. Da die Kontierungsdaten aber automatisiert im System übergeben wurden, muss das Controlling diese nicht mehr prüfen.
Die BANF wird vom System automatisch in eine Bestellung umgewandelt – alle wichtigen Daten dafür sind bereits aus dem Online-Katalog übertragen worden. Der Einkauf prüft nur noch den Liefertermin der Auftragsbestätigung, was ihn lediglich fünf Minuten Arbeitszeit kostet. Einige Tage später trifft die Ware ein. Die Wareneingangsprüfung erfolgt in SAP.
Der Dreher erhält Bescheid, dass seine Schrauben angekommen sind. Die Arbeitszeit hierfür schätzen wir auf 15 Minuten. Die Rechnung wird im ERP automatisiert geprüft. Dies ist möglich, da Preise und Konditionen aus dem Onlinekatalog direkt ins System übertragen wurden. Damit ist die Finanzbuchhaltung von der Prüfung entlastet.
Die Summe der Bearbeitungszeit für alle diese Bestellschritte beläuft sich dank des automatisierten Prozesses auf circa 30 Minuten. Das bedeutet, dass Unternehmen, die mit einer Beschaffungsplattform arbeiten, rund 70 Prozent an Zeit und Prozesskosten einsparen können.
Erkennen und Ausschöpfen des Kostenoptimierungspotenzials
Die Beispielrechnung macht deutlich, dass es sich lohnt, die internen Beschaffungsprozesse genau in Augenschein zu nehmen und sie neu zu bewerten. Nicht nur in Bezug auf geringere Kosten kann es sich durchaus lohnen, eine Beschaffungsplattform zu nutzen.
Um die Beschaffung agil zu gestalten und in den bestellenden Abteilungen so schlank und kosteneffizient wie möglich zu halten, nutzen Unternehmen heute eProcurement-Plattformen. Mit einer sinnvoll implementierten Lösung kann über den gesamten Einkaufsprozess gespart werden:
- Bedarfsanforderung: Bedarfsträger sollten ihre Waren schnell, selbstständig und bei ausgewählten Systempartnern bestellen können. Manuelle und langwierige – im Jahr 2022 immer noch häufig papiergestützte – Prozesse sind ein riesiger Kostentreiber in der Beschaffung.
- Bestellabwicklung und Datenhaltung: Eine digitale Bestellabwicklung ist das Fundament vieler Optimierungen in der Beschaffung. Je weniger Schnittstellen zu Lieferanten gepflegt werden müssen, desto niedriger sind wiederkehrende Aufwendungen rund um digitale Bestellungen. Noch wichtiger als die reine Digitalisierung des Bestellwegs sind synchronisierte Bestelldaten in der eProcurement-Lösung und im ERP.
Denn nur wenn die Daten identisch sind, können Bestelldaten aus dem ERP sinnvoll für strategische Entscheidungen sowie weiterführende Anwendungen und Prozesse wie z.B. Spend Analytics oder Category Management verwendet werden.
- Logistik: Der Wareneingang und die gesamte Intralogistik profitieren von den elektronisch verfügbaren Daten: Der Besteller kann schnell ermittelt werden, inklusive des Ziels, wohin die Waren transportiert werden sollen. Auch die Erfassung neuer Warenbestände in der Lagerverwaltung verursacht in der digital vernetzten Umgebung weniger Aufwand. Hier können z.B. Warenausgabeautomaten oder Scanner eingesetzt werden.
- Buchhaltung: Rechnungsprüfung, -freigabe und Zahlungsabwicklung sollten mit Bestellbezug erfolgen, um Nachforschungen und Recherche in der Buchhaltung zu minimieren.
Fachkräfte wertschätzen und binden
Viele Faktoren begünstigen aktuell den Fachkräftemangel. Darunter fällt unter anderem der demografische Wandel, die bevorstehende Verrentung der Boomer-Generation, steigende Job-Anforderungen, mehr Studierte, dafür weniger Ausgebildete und viele weitere Aspekte. Fachkräfte sichern nicht nur Innovation und Wachstum, sondern auch Wohlstand und Lebensqualität, was sie nicht nur für die Wirtschaft unerlässlich macht.
Daher ist es wichtig, dass der Mittelstand reagiert und sich als attraktiver Arbeitgeber präsentiert, um Fachkräfte zu finden und zu halten. Zu aussichtsreichen Arbeitsbedingungen zählen nicht nur flexible Arbeitszeiten oder Weiterbildungsmöglichkeiten, sondern auch smarte und digitale Arbeitsprozesse. Das führt neben der Reduzierung von Kosten auch zu reibungsloseren Abläufen und zufriedeneren Fachkräften.
Mein Fazit
In Zeiten des Fachkräftemangels kann eine Beschaffungsplattform entscheidend dazu beitragen, Prozesse zu vereinfachen und Bearbeitungszeiten zu reduzieren. Mitarbeitende der einzelnen Abteilungen können sich zielgenauer ihrem Kerngeschäft widmen, da viele nervenaufreibend-redundanten Prozesse eliminiert werden.
Damit profitieren Unternehmen nicht nur von geringeren Kosten und einem insgesamt dynamischeren Beschaffungswesen, sondern auch von zufriedeneren Mitarbeitern, da ihrer Arbeitszeit und Fachkompetenz eine viel höhere Wertschätzung angedeiht.