Städte sind Klimasünder. Die urbanen Gebiete verbrauchen rund 80 Prozent der weltweiten Energie und sind damit für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich. Bereits über die Hälfte der acht Milliarden Menschen auf der Erde lebt in Metropolen. Tendenz steigend. Dieser Andrang auf engstem Raum bedeutet viel versiegelte Fläche, auf der Gebäude aus Beton, Stahl und Glas emporwachsen.
Ein Beitrag von Martin Schauder, Director CSR & Sustainability bei NTT Germany.
Angesichts unserer derzeit wichtigsten Aufgabe – den Klimawandel zu stoppen oder zumindest zu bremsen – ist klar, dass wir dies nur erreichen können, wenn wir den CO2-Ausstoß der Städte reduzieren. Die Lösung, um urbane Lebensräume nachhaltiger zu gestalten, gibt es theoretisch schon: Durch die Digitalisierung der Metropolen entstehen sogenannte Smart Cities, die auf innovative Weise Daten sammeln, vernetzen und auswerten, um Emissionen zu reduzieren, die Mobilität effizienter zu gestalten und die Gesundheit der Menschen zu verbessern.
Digitale Lösungen für eine nachhaltige Stadt
Hinter solchen Smart-City-Konzepten steht die Idee, die Herausforderungen und Fragen unserer globalen urbanisierten Gesellschaft mit digitalen Lösungen zu beantworten. Und es gibt bereits viele interessante Ansätze: Intelligente Parklösungen beispielsweise erkennen mit Hilfe von Sensoren, ob ein Parkplatz mit einem Fahrzeug belegt oder frei ist. Die Daten dazu erhält der Nutzer in Echtzeit über eine App oder digitale Hinweisschilder.
Weniger gefahrene Kilometer bei der Parkplatzsuche bedeuten automatisch weniger CO2-Ausstoß. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Abfallwirtschaft in einer Smart City. Mit Sensoren ausgestattete Mülltonnen und Container melden dem zuständigen Entsorgungsunternehmen kontinuierlich die Füllmenge. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz können so die Routen der Fahrzeuge bedarfsgerecht angepasst werden.
Intelligente Mobilitätslösungen für die Zukunft gehen aber weit darüber hinaus: Sie umfassen die Bereiche autonomes Fahren und multimodaler Bedarfsverkehr. Dazu sind weiterentwickelte öffentliche Verkehrssysteme, Elektrofahrzeuge und Ladetechnologien ebenso notwendig wie Buchungs-, Routing- und Informationssysteme, die die Nutzung öffentlicher Mobilität attraktiver und damit den privaten Pkw in der Stadt unattraktiver machen.
Dennoch: Eine intelligente Stadt ist viel mehr als nur die Summe der Digitalisierung einzelner Sektoren. Erst ein ganzheitlicher Ansatz führt zu einer Vereinheitlichung der Infrastruktur, die viele Verbesserungspotenziale freisetzt. Um sich ein Bild davon zu machen, was alles möglich ist, eignen sich sehr gut Digitale Zwillinge.
Diese virtuellen Simulationen ganzer Städte enthalten digitale Abbilder von Gebäuden und Straßen, aber auch von Prozessketten wie Mobilitätsströmen und Treibhausgasemissionen sowie sozialen Interaktionen. Der Digitale Zwilling liefert damit ein virtuelles Stadtmodell, das als Entscheidungsgrundlage für die Planung städtischer Infrastrukturen und zur Optimierung von Prozessen dient sowie Kosten, Nutzen und Risiken von Projekten aufzeigt.
Sein volles Potenzial entfaltet der Digitale Zwilling durch die Integration von Künstlicher Intelligenz. KI erkennt Muster, trifft Vorhersagen und automatisiert Aufgaben und ist damit ein wichtiger Helfer für die Realisierung einer Smart City. Algorithmen können beispielsweise Staus vorhersagen und alternative Routen vorschlagen, die Energieverteilung optimieren oder Anomalien im Zustand von Brücken sowie Straßen erkennen und rechtzeitig Wartungs- und Reparaturarbeiten vorschlagen.
Durch die Kombination von KI mit anderen Technologien wie dem Internet der Dinge und dem Digitalen Zwilling können Städte besser auf Herausforderungen reagieren und innovative Lösungen für die Zukunft entwickeln. Diese Lösungen sind schneller gefordert, als uns lieb ist – immerhin gewinnt die Anpassung an den Klimawandel, beispielsweise die Vorbereitung auf Extremwetterereignisse sowie die begleitende Krisenintervention, enorm an Bedeutung.
Transparenz ja, gläserner Bürger nein
Bei aller innovativer Stadtplanung muss aber eines klar sein: Ohne die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger kann das Konzept nicht gelingen. Die Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt müssen überzeugt davon sein, dass eine Smart City ihnen und der Umwelt nützt.
Erst dann werden sie bereit sein, ihre Bewegungsprofile zumindest anonymisiert preiszugeben oder andere Daten zur Verfügung zu stellen. Die Angst davor, zum gläsernen Bürger zu werden, ist nämlich – neben den hohen Investitionskosten – eines der größten Hindernisse für intelligente Städte.
Die größte Aufgabe für Städte, Technologieführer und alle anderen Befürworter der Smart Cities ist es daher, Vertrauen in ihr Konzept zu schaffen und die Bewohnerinnen und Bewohner davon zu überzeugen, dass die digitale, vernetzte Stadt kein Ort des Datenmissbrauchs und der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist, sondern unverzichtbar, um den Klimawandel zu bremsen.