Der französische Experte für Wettbewerbsrecht, Prof. Frédéric Jenny, untersucht in einer kürzlich veröffentlichten Studie, inwieweit unfaire Software-Lizenzbedingungen den Wettbewerb auf dem noch jungen Markt für Cloud-Infrastrukturdienste in Europa verzerren. Die Studie dokumentiert Praktiken, mit denen eine Handvoll marktmächtiger Unternehmen ihre Kunden auf ihre eigenen Cloud-Infrastrukturdienste lenken.
Diese Praktiken, so die Studie, werden dem Wettbewerb in der Cloud erheblich schaden und das Wachstum, die Innovation und die Lebensfähigkeit der europäischen Cloud-Infrastrukturanbieter und ihrer Kunden beeinträchtigen. Für europäische Verbraucher wird dies zu einer geringeren Auswahl und höheren Preisen für Cloud-Dienste führen.
„Über mehrere Monate hinweg habe ich mit Anwendern von Unternehmenssoftware aller Größen und Branchen gesprochen“, so Frédéric Jenny. „Einige Anwender hatten Angst vor möglichen Repressalien, wenn sie sich gegen vermeintlich unlautere Praktiken aussprechen. Selbst einige Großkunden von Cloud-Diensten haben erkannt, dass sie auf die zentralen Produktivitätssuiten, die eben jene Software-Unternehmen kontrollieren, nicht verzichten können.“
Die Studie, die den Mitgliedern des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Rates im Zuge der Prüfung, Diskussion und Abstimmung über den Digital Markets Act (DMA) übermittelt wurde, weist eindeutig auf eine Reihe von Praktiken hin, mit denen etablierte Software-Unternehmen die Wahlmöglichkeiten europäischer Unternehmen bei der Cloud-Migration einschränken.
Technische, finanzielle und vertragliche Beschränkungen werden eingesetzt, um Anwender im eigenen Cloud-Infrastruktur-Ökosystem zu halten – unabhängig davon, ob dies die beste Lösung für den Kunden darstellt.
Typische Lizenzbedingungen, die laut der Studie den fairen Wettbewerb einschränken, sind:
- Abschaffung von Bring Your Own Licence (BYOL)-Verträgen. Die Kunden werden dadurch gezwungen, für die Nutzung von Software, die sie bereits lizenziert haben, in einer konkurrierenden Cloud-Infrastruktur erneut zu zahlen.
- Bündelung von Software-Produkten mit Cloud-Infrastrukturen, um die Angebote anderer Cloud-Anbieter weniger attraktiv/teurer zu machen.
- Vertragliche Einschränkungen, Software auf Hardware-effiziente Art und Weise zu nutzen, indem Kunden zur Nutzung einer speziellen Cloud-Infrastruktur gezwungen werden.
- Erhöhung der Preise für Partner, die ihre eigene Cloud-Infrastruktur nutzen, während die Preise für Partner stabil bleiben, die über die Cloud-Infrastruktur des Software-Anbieters verkaufen.
- Künstliche Einschränkung der Portabilität von Daten, um die Nutzung konkurrierender Cloud-Infrastrukturen teurer oder gar unmöglich zu machen.
- Das Abfragen von Kundeninformationen von Partnern von Cloud-Diensten zu „Abrechnungszwecken“, um dann aber direkt an diese Kunden heranzutreten, um sie zum Wechsel der Cloud-Infrastruktur zu bewegen.
Hans-Joachim Popp von Voice, dem Bundesverband der IT-Anwender, sagte: „Es ist offensichtlich, dass einige große Software-Anbieter versuchen, mit ihren Lizenzverträgen den Wettbewerb und die Wahlmöglichkeiten einzuschränken. Unsere Mitglieder sehen das jeden Tag und fordern nachdrücklich, dass diese Praktiken durch den DMA wirksam verhindert werden.“
Alban Schmutz, Vorsitzender von CISPE, der Vereinigung von Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa und Auftraggeberin der Studie, erklärte abschließend: „Wir hören von unseren Mitgliedern und deren Kunden, dass bestimmte Anbieter von Legacy-Software die Auswahl an Cloud-Infrastrukturen durch unfaire Lizenzbedingungen einschränken. In Zusammenarbeit mit Professor Jenny haben wir diese Praktiken und ihre Auswirkungen deshalb beleuchtet, um das Prinzip der fairen Software-Lizenzierung zu unterstreichen.“
„Die Studie zeigt deutlich, dass Grundsätze für eine faire Software-Lizenzierung notwendig sind und in den DMA aufgenommen werden sollten. Dies ist ein wichtiges Thema, das sowohl Rechtsvorschriften als auch die freiwillige Verpflichtung auf faire Praktiken der Software-Lizenzierung umfasst, um eine bessere Lösung für europäische Unternehmen und Verbraucher zu gewährleisten.“