Die Digitalisierung, der Fachkräftemangel und der steigende Wettbewerbsdruck zwingen Unternehmen, ihre Strategien neu zu überdenken. Denn diese Entwicklungen stellen das Management vor erhebliche Herausforderungen. Wie also gestaltet sich künftig die Arbeit in der Fertigungsindustrie? Und was bedeutet das für die Menschen, die hier tätig sind?

Darüber geben eine Reihe aktueller Untersuchungen Auskunft. Augmentir hat aus ihnen sechs Trends für 2025 abgeleitet, gestützt durch eigene Projekterfahrung.

  • Training wandert an den Arbeitsplatz
    Zwei von drei Unternehmen wollen mit ihrer Weiterbildungsstrategie vor allem eines erreichen: den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Aber auch die Erfüllung gesetzlicher Normen und die Mitarbeiterbindung sind mehr als 50 Prozent von ihnen wichtig, so die TÜV Weiterbildungsstudie 2024.

    Gut die Hälfte der befragten Organisationen (56 Prozent) bevorzugen dabei kombinierte Präsenz- und Online-Trainings. Noch, möchte man hinzufügen. Denn der starke internationale Wettbewerb zwingt Betriebe, Arbeitskräfte im Hochlohnland Deutschland so produktiv wie nur möglich einzusetzen.

    Hier kommen Connected-Worker-Plattformen ins Spiel: Sie liefern personalisierte Anweisungen, die das Personal direkt am Arbeitsplatz anleiten und weiterbilden. Die Inhalte für dieses Training on the Job stammen unter anderem aus Handbüchern, Standard Operating Procedures (SOPs) oder bereits vorhandenem Schulungsmaterial.

  • Digitale Assistenten steigen zu Ratgebern auf
    Auch die rasche Beantwortung von Nachfragen spielt eine zunehmend wichtigere Rolle. Bereits jetzt nutzen 35 Prozent der Unternehmen dazu Chatbots. Vor zwei Jahren waren es erst 25 Prozent. Das berichtet eine Bitkom-Studie aus dem September 2024. In der Fertigung werden sich die Einsatzmöglichkeiten dieser Dialogtools deutlich erweitern, Experten erwarten eine viel engere Verzahnung von Mensch und Maschine.

    Intelligente, KI-basierte Assistenten bieten dann nicht nur Unterstützung bei Fragen, sondern zeigen proaktiv Optimierungspotenziale auf und geben entsprechende Handlungsempfehlungen. Erste Co-Piloten dieser Art, speziell für Industriearbeitskräfte, sind in Connected-Worker-Lösungen bereits im Einsatz.

  • Wissensmanagement wird kollaborativ
    Viele Manager treibt die Frage um, wie sie ihre Arbeitskräfte bei einem internen oder externen Positionswechsel optimal unterstützen können. Eine Studie der Uni Bamberg vom Sommer 2024 zeigt auf: Weniger als 30 Prozent der Befragten erhielten eine strukturierte Wissensübergabe, in 82 Prozent der Fälle geschah die Einweisung ohne digitale Hilfe.

    Die Zukunft liegt jedoch im Aufbau eines systematischen und kollaborativen Wissensmanagements – und diese Zukunft hat schon begonnen. Denn KI-gestützte Tools ermöglichen es, Erfahrungswissen aus dem täglichen Doing sowie der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen automatisiert zu erfassen und anderen wieder zugänglich zu machen.

    Zudem „kennen“ die Kollaborations-Werkzeuge der neuesten Generation den Kontext der aktuell anstehenden Aufgabe und ziehen bei Bedarf KI-Assistenten als Kollaborationspartner in Teamgespräche hinzu. „So entsteht eine aufgabenspezifische und sich ständig erweiternde Wissensdatenbank, mit der sich Neulinge umfassend und strukturiert einweisen lassen“, weiß Carsten Hunfeld, Director EMEA von Augmentir.

  • Papierlose SOPs werden Mainstream
    Die Digitalisierungsbemühungen der Industrie machen große Fortschritte. 88 Prozent der Befragten ziehen eine positive Bilanz ihrer bisherigen Initiativen. Diese beschleunigen Prozesse und Workflows (53 Prozent), sparen Kosten durch effizientere Tools (48 Prozent) und steigern ihre Produktivität (46 Prozent).

    Auch in der Produktion wird immer häufiger papierlos gearbeitet. „Den Einstieg finden hier die meisten Unternehmen über die Digitalisierung von SOPs“, so Hunfeld. Da es sich dabei oft um Tausende handelt, stehen die Verantwortlichen dabei vor einer gewaltigen Aufgabe, bei der sich KI-Assistenten in zweierlei Hinsicht als hilfreich erweisen.

    Zum einen digitalisieren sie vorhandene SOPs, Bilder oder Dokumente in kürzester Zeit. Zum anderen wandeln sie diese automatisch in interaktive Arbeitsanweisungen, Anleitungen zur Fehlerbehebung und Schulungs-Tutorials um.

  • Autonome Wartung gelingt in kleinen Schritten
    Von dieser Digitalisierung profitiert auch die Instandhaltung. Das tut Not, denn zwei von drei Unternehmen räumen ein, sie hätten mindestens einmal im Monat einen ungeplanten Stillstand in der Produktion. Den Betroffenen entstehen daraus Kosten in Höhe von 147.000 Euro pro Stunde – so die Studie „Value of Reliability“ von ABB.

    Um die Verfügbarkeit ihres Anlagenparks zu steigern, übergeben immer mehr Betriebe laufende Inspektions- und Wartungsaufgaben darum an die eigenen Maschinen- und Anlagenführer. Schließlich kennen diese „ihr“ Equipment aus dem Effeff.

    Um sie mit der Autonomous Maintenance anfangs nicht zu überfordern, bietet sich an, die Arbeitsschritte mit Hilfe von digitalen Checklisten anzuleiten und einzuüben. So lässt sich die Zusatzkompetenz Wartung nach und nach aufbauen.

  • KI richtet Sicherheit und Gesundheitsschutz am Menschen aus
    Eine kanadische Studie aus dem Jahr 2023 zeigt: Jeder Dollar, den Hersteller in den Arbeitsschutz investieren, erzielt einen ROI von 1,24 Dollar. Bemerkenswert ist, dass sich dieser Wertzuwachs nicht allein aus der Reduzierung von Arbeitsausfällen ergibt. Die teilnehmenden Unternehmen sehen die positiven Effekte auf Corporate Image und Mitarbeiterbindung als ebenso bedeutsam an wie die finanziellen Vorteile.

    Gleichzeitig warnen Experten, dass Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und Gesundheitsgefahren im Job oft nicht den vollen Nutzen entfalten, wenn sie per „Gießkannen-Prinzip“ ausgeschüttet werden. Dr. Martin Schütte, Wissenschaftlicher Leiter des Fachbereichs „Arbeit und Gesundheit“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, bringt es in einem Artikel vom Juli 2024 auf den Punkt:

    „Bei der Person ansetzende Maßnahmen wie Qualifizierung oder Fort- und Weiterbildungen sind oftmals die Voraussetzung dafür, dass die Beschäftigten den Arbeitsanforderungen überhaupt entsprechen und die Aufgabe in der erforderlichen Güte durchführen können.“

    Kurz gesagt: Personalisierte Schulung ist der beste Arbeitsschutz – und das erleichtert künftig KI. Auf Basis eines Skillmanagements ist sie in der Lage, individuelle Bedarfe zu erkennen und entsprechende Anleitungen per App an jeden und jede Einzelne auszuspielen.

Fazit
Die sechs vorgestellten Trends zeigen deutlich: Die Industriearbeit der Zukunft wird mit Hilfe von KI genauer auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sein. Dadurch bietet die digitale Transformation herstellenden Betrieben enorme Chancen, ihre Belegschaft zu stärken und Abläufe zu verbessern. Das fördert wiederum die Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen, die die hier dargestellten Entwicklungen frühzeitig aufgreifen und umsetzen, verschaffen sich also entscheidende Vorteile.

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