Über 80 Prozent der IT-Experten plädieren für mehr digitale Souveränität in Europa. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) bezeichnet eine eigenständige europäische IT-Sicherheitstechnik als „sehr wichtig“. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von über 500 IT-Sicherheitsexperten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien durch censuswide im Auftrag der comforte AG.
Grund genug für das Cyber-Security-Unternehmen aus Wiesbaden eine strategische Neuausrichtung zu fordern. Immerhin: Als einer der Cyber-Security Marktführer in den USA kennt comforte die Erfordernisse beiderseits des Atlantiks. „In Europa sollten heimische Anbieter die Cybersicherheitsarchitektur tragen. Cyber-Security ist strategisch zu bedeutsam, um sie außereuropäischen Anbietern anzuvertrauen“, betont Michael Deissner, CEO der comforte AG.
Die Forderung nach europäischer IT-Souveränität ist in Frankreich besonders ausgeprägt. 87 Prozent der befragten französischen IT-Experten plädieren dafür. In Großbritannien (82 Prozent) und Deutschland (81 Prozent) ist die Sensibilität hierzu kaum geringer.
Deissner sieht gerade auch aktuell Parallelen: „Lange Zeit galten russische Gaslieferanten als verlässlich. Dass dies ein Trugschluss war, wurde nun schmerzlich deutlich. Auf dem sensiblen Feld der Datensicherheit sollte Europa vergleichbare Fehler vermeiden und sich nicht auf außereuropäische Anbieter verlassen.“
Auch die derzeitige Diskussion um chinesische Investments erfordert seiner Ansicht nach klare Signale hinsichtlich der IT-Sicherheitspolitik.
Bedrohung aus China: Hardwareanbieter unter Verdacht
So ermöglicht Chinas Geheimdienstgesetz von 2017 dem Sicherheitsapparat seine Bürger weltweit zur Kooperation zu verpflichten. Seither können chinesische Unternehmen dazu gezwungen werden, rund um den Globus alle erlangten Daten den chinesischen Geheimdiensten auszuhändigen.
Die Gefahr ist real. Beispielsweise hat das litauische staatliche Zentrum für Cybersicherheit bereits entsprechende Sicherheitsrisiken in Smartphones von Huawei und Xiaomi festgestellt. „Bei Geräten chinesischer Hersteller droht demnach der Verlust personenbezogener Daten,“ warnt Deissner.
Bedrohung aus den USA: Software mit Hintertüren
Mit der Abhängigkeit von US-Software ist das Risiko verbunden, dass amerikanische Akteure dies ausnutzen. Über geheime Software-Zugänge besteht etwa die Gefahr, dass Unbefugte an sensible Daten gelangen. Das können sowohl US-Geheimdienste als auch amerikanische Konkurrenten sein.
Deissner: „Derzeit verhält sich die US-Administration zwar freundschaftlich. Das kann sich aber schon mit den Präsidentschaftswahlen 2024 wieder ändern.“ Und er verweist darauf, dass der Erfolg von comforte in den USA gerade auch auf die ausgeprägten Sicherheitsstandards der deutschen Lösung zurückzuführen sind.
Gaia-X: comforte fordert Neustart
Gaia-X, das 2019 gestartete europäische Projekt für digitale Souveränität sieht comforte in einer Sackgasse. Insbesondere die Mitgliedschaft von Alibaba und Huawei, aber auch von Alphabet, Amazon sowie Palantir erachtet der comforte-Chef als kontraproduktiv.
Deissner: „Unternehmen konkurrierender Wirtschaftsräume sind in einem europäischen Projekt deplatziert. Stattdessen sollten heimische Firmen die europäische Sicherheitsarchitektur tragen.“ Seine Forderungen sind präzise: „Die Unternehmen müssen nicht nur Ihren Sitz in Europa haben, sondern auch Forschung und Entwicklung sollten in Europa erfolgen.“
Auch sollten sich die Unternehmen verpflichten, den Anforderungen des europäischen Datenschutzes zu entsprechen. Sein Appell ist dabei unmissverständlich: „Die Produkte dürfen keine versteckten Hintereingänge enthalten.“