Vor knapp drei Wochen machte der russische Fernsehsender RT ein am 19. Februar abgehörtes Konferenzgespräch von vier Offizieren der Bundeswehr öffentlich, in dem diese die Möglichkeit der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine diskutiert hatten. Die einsetzende ‚Taurus-Abhöraffäre‘ fand rasch einen Niederschlag – in den Medien, den deutsch-russischen diplomatischen Beziehungen und schließlich sogar im deutschen Bundestag.
Ein Statement von Martin Oczko, Geschäftsführer der procilon GROUP.
Die Arbeitsbesprechung war als Telefonkonferenz über die Anwendung Cisco WebEx erfolgt. Cisco WebEx ermöglicht eine sichere Kommunikation über verschlüsselte Kanäle und ist vom BSI nach dem Cloud Computing Compliance Controls Catalogue (BSI C5) zertifiziert. Wie jedoch die Gesprächsaufzeichnung zustande kam, das ermittelt derzeit die Abwehrabteilung des MAD. Fest steht bislang nur eines: Informationen – und damit Daten – konnten abgeschöpft werden.
Rasch brachten Medien eine ganze Reihe möglicher Abhörszenarien ins Spiel, wie einen Spion oder eine Wanze im Zimmer eines der Konferenzteilnehmer oder einen Trojaner auf einem der angeschlossenen Smartphones. Am 5. März äußerte sich dann Verteidigungsminister Boris Pistorius und erklärte, dass das ‚Datenleck‘ wahrscheinlich durch einen Anwendungsfehler eines der Konferenzteilnehmer zustande gekommen sei.
Diese Möglichkeit ist durchaus gegeben. Nicht alle Einwahlarten in eine WebEx-Konferenz sind gleich gut abgesichert. So heißt es in einem Artikel von heise online zur Taurus Abhöraffäre: Wählt sich ein Teilnehmer beispielsweise nicht direkt über die Anwendung selbst, sondern über ein Telefon in die WebEx-Konferenz ein, so erfolgt seine Verbindung ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Bei der Einwahl über einen Browser lässt sich eine verschlüsselte Verbindung zwar herstellen, doch müssen die zuständigen IT-Teams dafür zuvor bei der Client- und Server-Software manuell für WebEx eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingerichtet und aktiviert haben. Sonst erfolgt die Verbindung auch hier nicht wie erhofft – unverschlüsselt.
Das Beispiel der Taurus-Abhöraffäre zeigt: damit Datensicherheitsmaßnahmen wie erhofft greifen können, müssen sie so implementiert sein, dass Fehlverhalten – auch unbewusstes – so weit wie möglich ausgeschlossen werden kann. Das gilt auch und gerade für die Verschlüsselung von Daten. Vielerorts mangelt es hier aber immer noch am erforderlichen Sicherheitsbewusstsein – bei den Herstellern, den IT-Administratoren, und den Endanwendern selbst.
Im Bereich der E-Mail-Kommunikation sind die meisten Behörden da mittlerweile glücklicherweise schon einen Schritt weiter. Automatisierte Verschlüsselungslösungen ver- und entschlüsseln ein- und ausgehende Emails, erzeugen und prüfen Siegel, ohne dass die einzelnen Endnutzer hier noch selbst Hand anlegen müssen. Das Prinzip ‚Security by Design‘ hat bei ihrer Entwicklung Pate gestanden. Das Risiko eines unbeabsichtigten Fehlverhaltens von Seiten der Nutzer kann so spürbar reduziert werden.
Dass die Verschlüsselung von Daten für staatliche Institutionen mittlerweile von existenzieller Bedeutung ist, haben die vergangenen Jahre klar gezeigt. Cyberangriffe auf staatliche Stellen häufen sich. Meist handelt es sich hierbei um Ransomware-Angriffe, um Erpressungsversuche also. Doch sind auch erzwungene Datenabflüsse mittlerweile keine Seltenheit mehr.
Erinnert sei hier nur an den Angriff auf das Berliner Kammergericht von 2020 oder auf die Schweizer Kantonspolizei Bern von 2023. Leicht können die Daten, welche die Cyberkriminellen bei solchen Angriffen erbeuten, im Darkweb verkauft, für Phishing, Spear Phishing und Social Engineering-Angriffe genutzt, oder – wie im Fall der Taurus-Abhöraffäre – für eine antideutsche Medienkampagne eingesetzt werden.
Nur mit einem Mehr an Sicherheitsbewusstsein und Sicherheitslösungen, deren Entwicklung dem Prinzip Security by Design verpflichtet ist, wird sich Datensicherheit an deutschen Behörden in Zukunft noch erfolgreich aufrechterhalten lassen.