Die Migration in die Cloud gilt als eine gute Möglichkeit zur Modernisierung von Legacy-Anwendungen, denn sie bietet zahlreiche potentielle Vorteile. Altanwendungen lassen sich etwa den Nutzern einfacher standortunabhängig zur Verfügung stellen und bestimmte Services können nur einem ausgewählten Personenkreis zugewiesen werden.
Daneben verspricht die Cloud betriebswirtschaftliche Vorteile, da Anwendungen dort kostengünstiger betrieben und skaliert werden können. Nicht zuletzt kann sie auch ihre Sicherheit erhöhen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen haben mit ihren begrenzten Budgets meist nicht die Möglichkeit, solch umfassende Sicherheitsvorkehrungen zu implementieren wie die Cloud-Dienstleister.
Eine große Herausforderung ist dabei aber der „Big Ball of Mud“, den Legacy-Software oft darstellt. „Im Vergleich mit Neuentwicklungen ist die Architektur von Altanwendungen in der Regel deutlich mehr verwoben. Komponenten, Libraries und Methodenklassen wurden früher mehrfach genutzt und vererbt“, sagt Nadine Riederer, CEO beim auf Software Revival spezialisierten IT-Dienstleister Avision.
„Dadurch existieren viele Querverbindungen, die zu Problemen führen können, wenn an einer Stelle etwas geändert wird und man die Auswirkungen auf eine andere Stelle nicht einkalkuliert. Diese Zusammenhänge sind oft nicht ersichtlich.“
Eine Altanwendung deshalb einfach als ganzen monolithischen Block in die Cloud zu heben ist nach Ansicht der Expertin aber kein empfehlenswerter Weg. Dadurch kann das System nämlich nur im Ganzen skalieren, wodurch sich die Kostenvorteile erheblich reduzieren. Zudem lassen sich Cloud-native Services und Datenbank-Services nicht nutzen, wodurch das Baukastenprinzip der Cloud nicht funktioniert.
Viele kleine Services, die miteinander agieren und die je nach Bedarf getestet, ausgetauscht und skaliert werden können – all das ist dann nicht nutzbar. Viele typische Vorteile der Cloud werden damit hinfällig.
Theoretisch besteht natürlich die Möglichkeit, eine Altanwendung mit Hilfe von Microservices aufzuspalten und dann in ihren Einzelteilen in der Cloud zu betreiben. Dieses Vorgehen ist aber laut Riederer betriebswirtschaftlich wenig sinnvoll. „Eine Legacy-Software in Microservices herunter zu brechen und in die Cloud zu bringen rechnet sich in aller Regel nicht. In so einem Fall ist eine komplette Neuentwicklung meist kostengünstiger.“
Sehr wohl empfehlenswert ist nach ihrer Ansicht dagegen eine Cloud-Migration, wenn sie einen hybriden Ansatz verfolgt. Das Backend der Anwendung verbleibt dabei im Unternehmen, da die Verarbeitung der Daten weniger Kapazitäten benötigt und ihre Schwankungen deutlich geringer sind als beim Frontend.
Um die Datenbanken dabei Cloud-kompatibel zu machen, werden sie in Docker-Containern betrieben. Das Frontend, das etwa durch Bilder große Kapazitäten benötigt, wird in die Cloud verlagert und kann ihre spezifischen Features nutzen. Dazu zählen beispielsweise Authentifizierungsservices, einfache Skalierung bei erhöhten Zugriffen und eine praktisch endlose Bandbreite.
„Unternehmen sollten nicht einfach einem Trend folgen, nur weil er gerade angesagt ist, und ihre Legacy-Anwendungen auf Teufel komm’ raus in die Cloud verlagern“, fasst CEO Riederer zusammen. „Es gilt, genau abzuwägen, welche Cloud-Features genutzt werden sollen und überhaupt können und auch andere Modernisierungsmöglichkeiten zu prüfen. Sind die richtigen Voraussetzungen gegeben, ist die Cloud aber ein hervorragend geeignetes Mittel zur Modernisierung von Altanwendungen.“