Europa hat seine Grenzen überwunden, dennoch gibt es nach wie vor viele unsichtbare Hürden. Das betrifft unter anderem die Patienten, die ebenfalls von der Europäischen Union profitieren sollen, und den telemedizinischen Austausch ihrer Daten.

Erstmals hat die Deutsch-Polnische Regierungskommission auf ihrer 30. Sitzung für grenznahe Zusammenarbeit im April in Zielona Góra Vertreter des Telemedizinnetzwerkes POMERANIA angehört. Dabei ging es um die Problematik des Datenaustausches in der Medizin und die fehlenden Rechtsgrundlagen für grenzüberschreiende Informationen.

„Beide Seiten haben versichert, die Grundlagen für einen geregelten telemedizinischen Datenaustausch zu schaffen“, erklärte der Vorsitzende des Vereins „Telemedizin in der Euroregion POMERANIA e. V.“, Prof. Norbert Hosten (Foto). Parallel dazu werden die Teilprojekte im Rahmen des deutsch-polnischen INTERREG IV A EU-Programms weiter forciert. Die Arbeitsgruppe Tele-HNO hat in einem ersten Schritt Medizintechnik in einem Investitionswert von 80.000 Euro ausgeschrieben und bestellt. Tele-HNO - sofort handlungsfähig vor Ort

In diesem ersten realisierten Teilprojekt der Tele-HNO geht es um die Anschaffung von Endoskopen, die Bildergebnisse erzeugen, welche nach digitaler Übertragung durch HNO-Fachärzte bewertet werden können. Konkret bedeutet das, dass über biegsame Schläuche Kameras in Nasen-, Ohr- und Rachenraum eingeführt werden, um damit Innenansichten zu erstellen.

Diese digitalisierten Bilder werden dann von dem jeweiligen Krankenhaus in die HNO-Klinik der Universitätsmedizin Greifswald übertragen und dort von HNO-Fachärzten beurteilt. Auf diese Weise wird die zeitnahe Versorgung der Patienten in einer Region, in der HNO-Fachärzte nicht flächendeckend und rund um die Uhr verfügbar sind, verbessert. Insgesamt ist das bislang einzigartige Tele-HNO-Projekt mit etwa 260.000 Euro veranschlagt.

„Wir freuen uns“, sagte Oberarzt Dr. Achim Beule von der HNO-Klinik der Universitätsmedizin Greifswald, „dass nun nach einem ausführlichen Vorbereitungsprozess die Verhandlungen abgeschlossen sind und wir einen kompetenten Industriepartner beauftragen können, Tele-HNO Arbeitsplätze auszuliefern. In der Form wäre es eine Premiere“, betonte der Greifswalder HNO-Arzt.

„In Australien gibt es Regionen, in denen auch Aufnahmen vom Trommefell versandt werden. Aber eine Möglichkeit zur vollständigen HNO-Untersuchung mit telemedizinischem Anschluss soll erstmals in dem deutsch-polnischen EU-Projekt realisiert werden. Das Vorhaben ist vor allem wegen dem zunehmenden Facharztmangel von großer Bedeutung und ermöglicht auch dezentral HNO-fachärztliche Befundungskompetenz.“ Zunächst werden sich brandenburgische Kliniken, das Asklepios Klinikum Uckermark in Schwedt, das Sana Krankenhaus Templin sowie das Evangelisch-Freikirchliche Krankenhaus und Herzzentrum Brandenburg in Bernau beteiligen.

Modellregion wird weiter ausgebaut
„Ein Problem ist der Eigenanteil in Höhe von 15 Prozent. Ein HNO-Telemedizin-Arbeitsplatz kostet etwa 40.000 bis 50.000 Euro, so dass auf die Kliniken rund 6.000 Euro Kosten zukommen. Darüber hinaus müssen die Notärzte im Umgang mit den HNO-Instrumenten geschult werden“, erläuterte Prof. Norbert Hosten. „Mit der Inbetriebnahme der ersten HNO-Stationen rechnen wir in den nächsten Wochen.“ Der Greifswalder Radiologe hofft, dass bis zur geplanten Zuschaltung der Stettiner Standorte die ersten zwischenstaatlichen Hürden ausgeräumt werden können. „Letztendlich bremst die unsichere Rechtslage alle Teilprojekte und die intensivere Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn aus.“

Das INTERREG IV A-Programm der Europäischen Union verfolgt mit dem grenzüberschreitenden Projekt „Telemedizin Euroregion POMERANIA“ das Ziel, die medizinische Versorgung in dem dünn besiedelten Fördergebiet quantitativ und qualitativ zu verbessern. Seit 2002 finanziert die EU Telemedizin-Projekte in Vorpommern. Wegen des Erfolgs insbesondere der Telepathologie und Teleradiologie wurde die Förderung sukzessive erweitert. Seit Anfang letzten Jahres wird die grenzübergreifende Telemedizin-Modellregion mit 35 Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Polen mit 11,4 Millionen Euro unterstützt.

Ausblick
Die erste Ausschreibung in der Arbeitsgruppe Tele-Videokonferenz mit Investitionen in Höhe von knapp 70.000 Euro ist ebenfalls erfolgreich abgeschlossen und steht vor der Umsetzung. In Vorbereitung befinden sich die europaweiten Ausschreibungen in den Bereichen Tele-Urologie/Tumorboard, Tele-Pathologie und eine zweite Ausschreibung im Bereich Tele-Videokonferenz. Vorangeschritten sind darüber hinaus die Vorbereitungen bei der geplanten telemedizinischen Behandlung von Schlaganfallpatienten (Tele-Stroke).

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