Vier von zehn Stadtbewohnern würden in eine Smart City ziehen, ein Drittel der Bürger für digitale Stadtkonzepte sogar bezahlen – das sind die Ergebnisse einer weltweiten Capgemini-Studie. Smart-City-Initiativen werden auch immer häufiger in deutschen Kommunen auf den Weg gebracht. 2019 hat der Smart-City-Atlas von Bitkom und Fraunhofer IESE 50 Städte als Vorreiter in der Entwicklung intelligenter Stadtkonzepte vorgestellt.
Diese Punkte zeigen, dass sowohl ein signifikanter Teil der globalen Stadtbevölkerung als auch viele Stadtverwaltungen offen sind für das Konzept Smart City. Oftmals fehlt aber ein klares Verständnis davon, wie sich eine Stadt überhaupt „smart“ machen lässt und wie sich die Vorteile bestmöglich nutzen lassen. Strukturelle und politische Gegebenheiten erschweren die Umsetzung zusätzlich.
Wie Smart Cities tatsächlich zukunftsfähig und nachhaltig gestaltet werden können, erklärt Dr. Stefan Schwarz, Partner Business Consulting bei Teradata:
Intelligente, intermodale Verkehrssteuerungen, die Fahrzeuge genau zum einen freien Parkplatz lotsen und die Belastung der Innenstädte durch die aufeinander abgestimmte Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln minimieren; sich selbststeuernde Elektrizitätsnetze, die eine möglichst „grüne“ und bedarfsgerechte Produktion, Speicherung und Nutzung ermöglichen; Mülltonnen, die Müllentsorgungsunternehmen interaktiv helfen, ihren Service zu optimieren – so stellt sich vielleicht manch einer die „smarte“ Stadt der Zukunft vor.
Weltweit und auch in Deutschland finden sich eine Fülle an Smart-City-Konzepten. Trotz – oder eben genau wegen – dieser Vielfalt an Möglichkeiten bleibt der Begriff in der gesellschaftlichen Konversation oft nur abstrakt, ein Synonym für eine städtische Zukunftsvision.
Ganz grundsätzlich wird in einer „smarten“ Stadt Informationstechnologie, allen voran Sensoren, genutzt, um erhobene Daten auszuwerten. Basierend auf den Ergebnissen dieser Datenanalyse wird dann die Infrastruktur der Stadt effizienter gestaltet. Der Anspruch einer Smart City ist es, ihren Bewohnern mehr Lebensqualität und Nachhaltigkeit zu bieten.
So sehr die Vielfalt an Smart-City-Maßnahmen für eine Innovationskraft spricht, von der unsere Gesellschaft als Ganzes profitieren kann, so sehr erschwert sie es gleichzeitig den Kommunen, ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln und die erhobenen Daten optimal zu verwerten.
Smart City aus einem Guss
Um eine Stadt in eine Smart City zu verwandeln, bedarf es mehr als nur voneinander unabhängige Einzelmaßnahmen im Stadtgebiet. Einen tatsächlichen, vernünftigen Nutzen mit Nachhaltigkeit kann nur ein ganzheitliches, urbanes Gesamtsystem stiften. So kann zum Beispiel eine bloße Datenerhebung zum Verkehrsaufkommen in der Innenstadt womöglich nützlich sein.
Doch wirklich „smart“ ist es erst, wenn diese Verkehrsdaten gleichzeitig mit denen aus der CO2-Auswertung sowie Daten über die Parkplatznutzung und Frequenz des Nahverkehrs verknüpft werden. Nicht das bloße Sammeln der Daten ist dabei der Knackpunkt, sondern ihre Verbindung und konsolidierte Auswertung mittels Data Analytics.
Werden die Daten aus all diesen Disziplinen richtig zusammengeführt und verarbeitet, können der Autoverkehr optimal durch die Stadt gelenkt und die Bus-Abfahrtszeiten an einen möglichen erhöhten Bedarf angepasst werden. Außerdem können Autofahrer und Passagiere via Smartphone-App oder digitalen Anzeigen über weniger belastete Routen oder alternative Fahrtmöglichkeiten informiert werden.
Wenn Bewohner zusätzlich die Möglichkeit haben, kontinuierlich Daten in das System einzuspeisen, indem sie zum Beispiel Gefahrenstellen in der öffentlichen Infrastruktur – Schlaglöcher, Unfälle oder störendes Gebüsch – direkt per App an die Stadtverwaltung melden, können stau- oder verspätungsverursachende Ereignisse schnell erkannt und gelöst werden.
Damit ein solches ganzheitliches Konzept reibungslos funktionieren kann, müssen die Datensysteme der unterschiedlichen Smart-City-Disziplinen wie ein Orchester miteinander harmonieren. Die Integration von Daten aus Smart-City-Lösungen nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein.
Für das genannte Beispiel bedeutet dies, dass die Systeme aus Verkehr, Luftqualität, Nahverkehr und Infrastruktur nahtlos ineinandergreifen und kooperieren müssen. Dafür müssen die Daten der einzelnen Anwendungen kompatibel sein, so dass sie konsolidiert und übergreifend analysiert werden können. Dieser umfassende Einsatz von Data Analytics garantiert auch die Nachhaltigkeit der Datennutzung.
„Smart regions“: Über die Stadtgrenzen hinausdenken
Doch der Datenfluss sollte keineswegs am Standrand aufhören. Die Mobilität von heute verlangt, dass Kommunen auch über ihre Stadtgrenzen hinausdenken. Bei der Planung und Implementierung von Smart-City-Konzepten sollten unbedingt die Abhängigkeiten zwischen naheliegenden Regionen berücksichtigt werden, vor allem wenn die Städte in Ballungszentren beinahe ineinander übergehen.
Stimmt eine Stadt bedarfsorientiert beispielsweise ihren Busfahrplan auf den Bahn- und Autoverkehr ab, so profitieren Passagiere am meisten davon, wenn diese digitale Verflechtung auch in der Nachbarstadt gilt. Stadtverwaltungen sollten also bedenken, ob die Datensysteme ihrer Stadt nicht nur intern kompatibel sind, sondern auch mit denen von benachbarten Städten.
Strategien für „Smart regions“ werden in Deutschland schon erarbeitet, so zum Beispiel an der RWTH Aachen. Deren Metropolitan Cities Rhine-Ruhr Initiative arbeitet an einer Zukunftsvision für Metropolregionen, die durch Digitalisierung und neue Mobilitätsformen miteinander vernetzt sind.
Relevante Akteure – Softwareentwickler, Automobilhersteller, Stadtplaner und -verwalter, Produktions-, Telekommunikations- und Netzunternehmen sowie Bürger – erarbeiten bei diesem Projekt Handlungskonzepte für smarte Logistik, multimodale Mobilität, smarte Gebäude und öffentliche Räume. So entstehen einzigartige Konzepte, von denen ganze Ballungsregionen in Zukunft profitieren können.
Vorteile von Smart Cities
Es wird erwartet, dass bis zum Jahr 2050 68 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Damit sind Innovation und Effizienz notwendiger denn je, um dem Bevölkerungszuwachs in Städten und Metropolregionen zu bewältigen und den wachsenden Lebensansprüchen gerecht zu werden. Mit der richtigen Datenintegration und -auswertung kann eine „smarte“ Stadt oder Region Wirtschaftsimpulse für Unternehmen und Bürger setzen.
Die Produktivität des Standortes steigt und damit auch seine Attraktivität für die Ansiedlung weiterer Unternehmen. Die Vorteile reichen weit in das Leben der Stadtbewohner und wirtschaftlichen Akteure hinein: mehr Sicherheit, mehr Effizienz beim Wasser- und Stromverbrauch, effizientere Verkehrsnutzung und mehr Interaktion mit und Partizipation in der städtischen Verwaltung.
Kurzum: Datenanalyse, digitale IoT und KI machen eine Smart City zu einer besseren Version von dem, was eine Stadt schon immer war – ein Zusammenschluss von Menschen, die sich ein angenehmeres gemeinsames Leben wünschen.