Digitale Plattformen und ihre Geschäftsmodelle erobern Branche um Branche, Region um Region, Markt um Markt. Ohne Plattformen läuft heute im Internet nichts mehr und auch die "Old Economy" ist zunehmend auf ihre Fähigkeiten angewiesen.

Kommerzielle Nutzer benötigen sie als Intermediär zu ihren Kunden. Privatnutzer brauchen sie, um Informationen abzurufen, Inhalte zu beziehen oder miteinander zu kommunizieren.

Digitale Plattformen bündeln und vermitteln fast alle Interaktionen der Internetökonomie und der vernetzten Gesellschaft; sie sind wichtige Innovations-, Produktivitäts- und Wachstumstreiber, von deren Wertschöpfung viele Marktteilnehmer und ganze Volkswirtschaften profitieren.

Aktuell stellen digitale Plattformen sechs der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt und vier der fünf stärksten Marken. Bei Kennzahlen wie Umsatzwachstum oder Börsenwertzuwachs haben sie die großen Industrieunternehmen längst überflügelt. Doch an diesem Erfolgsmodell hat Europa zurzeit kaum Anteil; der Kontinent vergibt so wichtige Geschäftschancen, die das europäische Wirtschaftswachstum ankurbeln könnten.

Um dies zu ändern und europäischen Digitalanbietern und Start-ups mehr Gewicht zu verschaffen, haben die Experten von Internet Economy Foundation (IE.F) und Roland Berger in ihrer Studie "Fair Play in der digitalen Welt – Wie Europa für Plattformen den richtigen Rahmen setzt" das Thema einer intensiven Analyse unterzogen und einen Zehn-Punkte-Plan mit Handlungsempfehlungen für die Politik entwickelt.

Europas Anteil an der Plattformökonomie ist marginal
"Weniger als fünf Prozent des weltweiten Börsenwerts digitaler Plattformen entfallen heute auf europäische Unternehmen", sagt Prof. Dr. Friedbert Pflüger, Vorsitzender der IE.F. Dagegen vereinen alleine Plattformbetreiber aus der Bay Area (Silicon Valley und Umgebung) über 50 Prozent der Marktkapitalisierung auf sich; und auch asiatische Anbieter wachsen rasant.

"Europa spielt in der Plattformökonomie derzeit fast nur als Absatzmarkt und Entwicklungsstandort für die US-dominierten App Stores und Softwareschmieden eine Rolle", sagt Pflüger. "Von der Wertschöpfung und dem Effekt auf die gesamte Volkswirtschaft kommt dagegen viel zu wenig hier an."

Das liegt auch an ungleichen Voraussetzungen wie einem starken Regulierungsgefälle, unter denen digitale Start-ups global operieren. So nehmen aktuell gerade an den zentralen Schaltstellen amerikanische Plattformen dominierende Wettbewerbspositionen ein.

Die Internetwirtschaft braucht faire Spielregeln
"Damit auch Europa von den positiven gesamtwirtschaftlichen Effekten digitaler Plattformen profitieren kann, brauchen wir mehr Wettbewerb und faire Chancen für alle Marktteilnehmer, egal ob Weltkonzern oder Start-up", sagt Philipp Leutiger, Partner von Roland Berger.

"Gerade junge Wachstumsunternehmen benötigen einerseits einen fruchtbaren Boden, auf dem sie entstehen und gedeihen können. Andererseits sind klare, faire und durchsetzbare Spielregeln erforderlich, damit sich die innovativsten Anbieter am Markt etablieren können."

Die Experten von IE.F und Roland Berger fordern daher eine für neue Wettbewerber offene Internetwirtschaft, die sich durch Innovationsstärke, hohe Wertschöpfung, fairen Wettbewerb, vertrauensvollen Umgang mit Daten und verantwortlich handelnde Unternehmen auszeichnet. Eine eigenständige Plattformökonomie kann ihren Analysen zufolge die Wirtschaftsdynamik in Europa nachhaltig unterstützen. Dabei müsse die Maxime gelten: So viel Markt wie möglich, so viele Regeln wie nötig.

"Zuallererst müssen die bestehenden Wettbewerbsregeln konsequent durchgesetzt werden. Damit lässt sich schon viel erreichen", sagt der IE.F-Vorsitzende Pflüger. "In einigen besonders sensiblen Bereichen sollten die Bestimmungen aber auch erweitert und an die Anforderungen und Gesetzmäßigkeiten der Plattformökonomie angepasst werden."

Zu diesen sensiblen Bereichen gehören etwa Plattformen, die eine digitale Infrastruktur bereitstellen und somit systemrelevant sind – zu nennen sind hier in erster Linie App Stores und Universalanbieter, die zentrale Internetdienste in einem geschlossenen System bündeln.

"Integrierte Plattformen und Ökosysteme sind eine Art Zollstation für sämtliche digitale Geschäftsmodelle", sagt Leutiger. "Daher ist eine Monopolstellung hier besonders gefährlich, denn sie verschafft einzelnen Anbietern die Möglichkeit, neuen Wettbewerbern den Zugang zu erschweren oder gänzlich zu verwehren."

Zehn-Punkte-Programm für mehr Wachstum und Wettbewerb
Das "Zehn-Punkte-Programm für eine vitale europäische Plattformökonomie", in dem die Experten von IE.F und Roland Berger ihre Handlungsempfehlungen für die nationale und europäische Politik detailliert beschreiben, umfasst daher folgende Forderungen:

1. Schaffung eines echten digitalen Binnenmarkts
2. Aufhebung der Regulierungsasymmetrie
3. Anpassung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht
4. Entwicklung neuer Kriterien für die Fusionskontrolle
5. Verbesserung der Datenportabilität
6. Konsequente Entbündelung vertikaler Dienste
7. Sicherstellung einer Plattformneutralität
8. Gründung einer Europäischen Digitalagentur
9. Bildung transnationaler Allianzen
10. Finanzierung und Förderung innovativer Start-ups

"Eine wettbewerbsstarke, innovative Internetwirtschaft in einem digitalen Binnenmarkt kann Europas schwächelnden Volkswirtschaften den nötigen Schub geben", sagt Roland Berger-Experte Philipp Leutiger. "Deshalb müssen wir jetzt schnell die notwendigen Voraussetzungen schaffen, damit wir im internationalen Rennen nicht abgehängt werden."

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