Die Diskussion um die Zukunft der (Büro-)Arbeit in und nach der Corona-Pandemie ebbt nicht ab, doch selten wird die Rolle des Channels in dieser entscheidenden Phase der Transformation beleuchtet. Marc Paczian, Head of Channel Solutions, Dropbox EMEA, argumentiert in seinem Gastbeitrag, wie der Channel die Situation interpretieren kann, um nicht länger nur ausschließlich als Technologielieferant wahrgenommen zu werden.
In der Pandemie wurde die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe des Channels früh deutlich: Der Channel schlägt die Brücke zwischen den Technologien der Anbieter und den Anforderungen von IT-Abteilungen, Geschäftsführungen und den Nutzer*innen. Doch dem Channel bieten die Pandemie und ihre Auswirkungen die Chance, endgültig weit über die Rolle als reiner Technologielieferant hinauszuwachsen.
Drei Leitgedanken von Marc Paczian für ein erfolgreiches Channel-Business in diesen Zeiten:
1.) Service ist kein Projekt, sondern eine Haltung
Während die Partnerlandschaft, Reseller und Distributoren früher sehr produktorientiert tickten, wurde nicht zuletzt durch die Pandemie-bedingten Erfahrungen 2020 klar, dass jedes Glied der Vertriebskette seine Kunden*innen heute besser verstehen lernen muss. Erst dann können maßgeschneiderte Pakete angeboten werden, die optimal auf die Bedürfnisse der Kunden*innen zugeschnitten sind.
Der Markt wird dominiert von Software-as-a-Service-Angeboten, was für die Kunden*innen bedeutet, dass sie leicht ihren Anbieter wechseln können. Anstatt mithilfe aufwendiger Migrationsprojekte vollzieht sich der Wechsel von einem Anbieter zum nächsten heute quasi per Mausklick. Andererseits bietet diese neue Flexibilität Resellern und Systemhäusern die Möglichkeit, viel rascher neue Lösungen anzubieten und ihren Kunden*innen zu mehr Agilität zu verhelfen.
Reseller müssen sich deshalb immer fragen, wie sie Lösungen und Services so kombinieren und fortlaufend verbessern, dass sie in ihren Märkten relevant bleiben, und ob sie z.B. statt einzelner Tools ein komplettes Desktop-Erlebnis liefern. Hier lohnt sich eine intensive Beschäftigung mit den APIs und existierenden Integrationen der Lösungen. So kann man Kunden*innen Out-Of-The-Box-Szenarien bieten, die verschiedene SaaS-Lösungen wie z.B. Slack, Zoom und Dropbox geschickt kombinieren.
2.) Lösungen müssen global und maximal individualisierbar sein
Auch in den kommenden Monaten wird ein verstärkter Fokus auf Kollaborations-Tools und digitalen Arbeitsbereichen liegen, die verteiltes Arbeiten unterstützen. Mehrwerte schaffen kann der Channel hier, indem er Kunden*innen dabei unterstützt, das Optimum aus ihren vorhandenen digitalen Lösungen herauszuholen. Für Plattformen, die eine holistische Sicht auf Workflows ermöglichen, indem sie die komplexe Landschaft an Werkzeugen, Produkten und Dienstleistungen zusammenführen, birgt das großes Potenzial.
Als vereinender Layer lassen sich diese in bestehende IT-Landschaften implementieren. Sie bilden einen zentralen Arbeitsbereich, der sich je nach Aufgaben individualisieren lässt. In Kombination mit einer umfassenden Bestandsaufnahme des Vorhandenen können Channel-Partner ihren Kunden*innen so helfen, Geschäftsprozesse weiter zu vereinfachen, ohne ihr gesamtes digitales Ökosystem zu entwurzeln oder zusätzliches IT-Personal rekrutieren zu müssen.
Ein gutes Beispiel sind Elektronische-Signatur-Lösungen wie HelloSign von Dropbox. Wird diese in Einzelfällen auch als Stand-alone-Lösung benötigt, entfaltet sie den größten Mehrwert in Kombination mit anderen Anwendungen wie beispielsweise ERP- oder CRM-Systemen. Im gleichen Atemzug kann man die Frage stellen, wo es im Unternehmen weitere Pen & Paper-Prozesse gibt, die man gleich mitdigitalisieren kann.
3.) Virtuell verkaufen will gelernt sein
Corona hat nicht nur die Art und Weise der Arbeit und Zusammenarbeit geändert. Asynchron arbeitende Teams profitieren von einer viel größeren Flexibilität, selbst zu entscheiden, wie und wo sie mit ihrer Arbeit die besten Ergebnisse erzielen. Für den gesamten Vertriebsprozess ist es heute wichtiger denn je, unabhängig von klassischen Bürozeiten und Standorten zu operieren.
Während man vorher oft einen halben Tag beim Kunden verbracht hat, um alle Anforderungen zu verstehen und danach ein entsprechendes Angebot zu machen, ist das mit einer Videokonferenz nur schwer möglich. Faktoren wie Zoom Fatigue – also die erhöhte Belastung durch den rein virtuellen Austausch – und die kürzere Fokuszeit auf Vertriebs- wie Kundenseite begrenzen die effektive Dauer von Videokonferenzen.
Hier kommt es darauf an, auch asynchron Tools zum parallelen Arbeiten wie z.B. Office 365, GSuite oder Dropbox Paper zu nutzen und dann in einer kurzen und fokussierten Videokonferenz die vorbereiteten Inhalte abzustimmen. Über virtuelle Kommunikationswege interagieren und verkaufen zu können, ist und bleibt auch 2021 und darüber hinaus geschäftsentscheidend.
Aus meiner Sicht ist das virtuelle Verkaufen ein „neuer“ Skill, den viele Vertriebsprofis in der Vergangenheit nicht sehr intensiv trainiert haben. Da persönliche Treffen auch 2021 noch lange erschwert sein werden, wird diese Fähigkeit immer gefragter sein.
Der Schlüssel für den Channel ist, zu verstehen, was Unternehmen wollen, und auf die veränderten Bedürfnisse schnell zu reagieren. Ein echtes Verständnis davon, in welcher Situation der Kunde sich aktuell befindet, lässt sich jedoch nicht durch ein klassisches „Vertriebsgespräch“ erreichen.
Nur durch empathische Fragen und „echtes“ Zuhören kommt man einander näher. Ist es in der aktuellen Zeit professionell, sich danach zu erkundigen, wie es meinem Geschäftspartner geht? Absolut! Wir befinden uns nach wie vor in einer Ausnahmesituation und hier sind – neben dem rein vertrieblichen bzw. professionellen Interesse – Empathie und Nähe gefragt.