Deutschland muss digitaler werden – das ist nicht zuletzt eine Erkenntnis aus der COVID-19-Pandemie. Entsprechend haben sich auch die Parteien, die im September bei der Bundestagswahl antreten, verschiedene Maßnahmen überlegt, wie sie die Digitalisierung vorantreiben wollen. Die Ideen sind mannigfaltig, von Gigabit-Gutscheinen über digitale Endgeräte für Schüler bis hin zu einer Verbraucherrechte-App.
Ein Thema hat allerdings noch nicht jede Partei für sich entdeckt: die digitale Identität. Andreas Vollmert, Strategic Growth Manager, bei Swisscom Trust Services erklärt, bei wem noch Nachholbedarf herrscht und welche Parteien schon konkretere Pläne haben.
„Neuland“ ist das Internet in Deutschland heute nicht mehr, aber noch immer kommt die Digitalisierung oft nur langsam voran. Damit beschneidet das Land seine Innovationskraft und macht seinen Bürgern das Leben unnötig schwer.
Insbesondere wer Dienstleistungen oder Amtsgänge online beantragen oder erledigen will, kämpft noch häufig mit komplizierten Prozessen, Medienbrüchen und der Notwendigkeit, am Ende Unterlagen doch wieder auszudrucken und per Post zu verschicken.
Digitale Identität für eine digitalisierte Welt
Mit einer digitalen Identität sollen Bürger solche Vorgänge künftig sehr viel leichter abwickeln können. Im Juni hat die Europäische Union einen Rahmen für einen solchen Nachweis auf europäischer Ebene (EUid) vorgeschlagen. Alle Europäer sollen sich damit online und offline identifizieren und länderübergreifend digitale Dienstleistungen in Anspruch nehmen können.
Auch die Integration von Impfzertifikaten beispielsweise für COVID-19 wäre bei einer solchen digitalen Identität auf dem Smartphone realisierbar. So hätte nicht jedes Land eine eigene Lösung entwickeln müssen und der Nachweis im europäischen Ausland wäre problemlos möglich.
Aber auch Unterhemen können von einer digitalen Identität profitieren. Kunden suchen sich heute Anbieter, die ihnen eine möglichst reibungslose Erfahrung bieten – die Möglichkeit, sich digital auszuweisen und rechtssicher zu unterschreiben, trägt dazu erheblich bei. Gleichzeitig können Unternehmen beim Onboarding neuer Kunden durch die digitale Verifizierung Kosten und Reibungsverluste stark reduzieren und leichter in neue Märkte expandieren.
Nur zwei von sechs Parteien haben konkrete Pläne
Der Blick in die Parteiprogramme für die Bundestagswahl im September zeigt allerdings, dass sich noch nicht alle hiermit beschäftigt haben. Einzig Die Grünen und die CDU sprechen sich explizit für die digitale Identität aus.
Erstere wollen eine kostenlose digitale Identität, die es Personen ermöglicht, sich digital auszuweisen und digital zu unterschreiben. Hintergrund dieser Forderung ist die leichtere Inanspruchnahme von Behördenleistungen in Deutschland, sowie der Ausbau des europäischen Gemeinwesens.
Die CDU erwähnt die digitale Identität sogar gleich an zwei Stellen – zum einen für die Anmeldung auf Online-Plattformen, zum anderen als persönliche Brieftasche auf dem Smartphone für alle Verwaltungsvorgänge für Bürger und Unternehmen. Darüber hinaus betont die CDU auch die europaweite Funktionalität einer solchen Lösung.
Spannenderweise zieht sich „Digitalisierung“ zwar wie ein roter Faden durch das Programm der FDP, aber die digitale Identität kommt darin nicht vor. Zwar plant die Partei das sogenannte „Deutschlandportal“ für virtuelle Amtsgänge ohne Medienbruch, erklärt aber nicht weiter, wie der Identitätsnachweis dabei aussehen soll.
Die Sozialdemokraten wollen ebenfalls die digitalen Verwaltungsdienstleistungen ausbauen und Bürgern mithilfe einer digitalen Identität Zugang zu diesen ermöglichen. Konkreter wird die SPD zu dem Thema allerdings nicht.
Während sich auch die AfD für einen E-Government-Ausbau ausspricht, ohne allerdings weiter auszuführen, wie dieser umgesetzt werden soll, konzentriert sich Die Linke in ihrem Wahlprogramm beim Thema Digitalisierung vollständig auf andere Bereiche und macht keinerlei Aussage zur digitalen Identität.
Fazit: Die EU schreitet voran
Die Wahlprogramme verdeutlichen: die Bedeutung der digitalen Identität in Zukunft, insbesondere europaweit, ist nicht allen Parteien bewusst. Bei denjenigen, die sie überhaupt erwähnen, steht vor allem der einfachere Zugang zu behördlichen Dienstleistungen im Vordergrund.
Die EU hat allerdings schon weitreichendere Pläne und will, dass bis 2030 80 Prozent der Bevölkerung eine eID-Lösung verwenden und alle öffentlichen Dienste online verfügbar sein sollen. Auf die nächste Bundesregierung wartet damit viel Arbeit, um diese Ziele zu erreichen.