Von Stellenausschreibungen über Bewerbungsunterlagen bis zum Bewerbungsgespräch: In vielen HR-Abteilungen ist der Recruiting-Prozess bereits weitgehend digitalisiert. Lediglich der Vertragsabschluss spielt sich hierzulande in der Regel noch auf dem Papier ab. Was hält Unternehmen davon auf, von händischen Unterschriften auf elektronische Signaturen umzusteigen?

Mario Voge, Lead Strategic Growth Manager und HR-Experte bei Swisscom Trust Services und Dominik Drechsler, Country Manager Germany von Yousign, räumen mit drei Mythen auf, die sich weiterhin hartnäckig gegen die vollständige Digitalisierung des Recruiting-Prozesses stellen.

  1.  „Im ‚War for Talents‘ spielt es keine Rolle, wie digital das Recruiting ist.“
    Dominik Drechsler: Vor allem im Kontext des ‚War for Talents‘ bringt es gleich mehrere Vorteile mit sich, wenn Unternehmen eine vollständig digitalisierte Recruiting-Erfahrung schaffen, die auch einen elektronischen Vertragsabschluss anbietet.

    Zuerst das Offensichtliche: Unternehmen sparen dadurch wertvolle Zeit. Die Arbeitsverträge müssen nicht ausgedruckt, versandfertig gemacht und zur Post gebracht werden. Außerdem minimiert sich der nachträgliche Bearbeitungsaufwand, da alle wichtigen Unterlagen bereits in digitaler Form vorliegen und nicht mehr händisch eingescannt und archiviert werden müssen.

    Im ‚War for Talents‘ geht es um Schnelligkeit. Talentierte Kandidaten sind sehr beliebt, was besonders in den vom Fachkräftemangel betroffenen Branchen schnell zum Problem werden kann. Auch wenn nach einem erfolgreichen Vorstellungsgespräch der Arbeitsvertrag losgeschickt wird, bedeutet das noch lange nicht, dass ein unterschriebener Vertrag wieder zurückkommt. Ein anderes Unternehmen könnte diesem Kandidaten ein besseres Angebot unterbreitet haben – noch bevor die Dokumente der ersten Stelle überhaupt im Briefkasten landen.

    Durch einen digitalisierten Vertragsabschluss samt elektronischer Signatur ließe sich dieser Prozess in wenigen Minuten statt Tagen abwickeln. Ausserdem wird der oder die Kandidatin selbst erst kündigen, sobald er/sie den neuen Arbeitsvertrag auch wirklich in der Tasche hat. Wenn man das zu Ende denkt, bedeutet das, dass Ihre freien Stellen mit der e-Signatur einfach schneller besetzt werden können.

    Und zu guter Letzt: Indem Unternehmen zukünftigen Mitarbeitern einen reibungslosen digitalen Bewerbungs- und Einstellungsprozess anbieten, sorgen sie nicht nur für eine komfortable User Experience, sondern signalisieren dem Bewerberpool, ein digital gut aufgestellter Arbeitgeber zu sein. Das lockt gerade jüngere Generationen an, die allmählich in den Arbeitsmarkt eintreten. Sie sind Digitalität gewöhnt und erwarten diese auch an ihrem zukünftigen Arbeitsplatz.

 

  1. „Elektronische Signaturen können technisch versierte Betrüger fälschen und sind daher nicht sicher.“
    Mario Voge: Das Missverständnis lässt sich schnell ausräumen. Man darf nicht davon ausgehen, dass es sich bei einer elektronischen Signatur um eine handschriftliche Unterschrift handelt, die digital eingefügt wird. Diese ließe sich in der Tat leicht fälschen und ist nicht standhaft vor dem Gesetz. Vielmehr funktioniert eine Qualifizierte Elektronische Signatur (QES) als eine Art „elektronischer Fingerabdruck“ und basiert auf einer asynchronen Verschlüsselung – dem Public-Key-Verfahren.

    Das zu unterzeichnende Dokument wird mit einer Hash-Funktion versehen – also einer mathematischen Umsetzung des Dokuments selbst, die vorab mithilfe eines privaten Schlüssels (Private Key) verschlüsselt wurde. Zusätzlich wird diesem „Paket“ ein Signaturzertifikat beigefügt. Dieses ist mit der Identität des Absenders verknüpft, die er vorab über ein Identifikationsverfahren validieren muss – zum Beispiel über den Online-Ausweis, das Online-Banking oder über das AutoIdent-Verfahren.

    Außerdem enthält das Zertifikat den zum Private Key passenden öffentlichen Schlüssel (Public Key). Damit entschlüsselt der Empfänger den Hash des ihm zugesandten Dokuments und geniert selbst einen Hash, die er miteinander abgleicht. Stimmen die Werte überein, hat die Übertragung ordnungsgemäß funktioniert.

    Erhält der Empfänger einen abweichenden Hash-Wert, weist das auf eine nachträgliche Änderung des Dokuments hin und die Signatur verliert ihre Gültigkeit. Eine QES ist damit fälschungssicher und gewährleistet die Authentizität und Integrität eines unterzeichneten Dokuments.

  1. „Qualifizierte elektronische Signaturen haben vor Gericht keinen Bestand.“
    Dominik Drechsler: Dass der ausgedruckte Arbeitsvertrag noch nicht vollständig aus den Personalabteilungen verschwunden ist, liegt unter anderem daran, dass alle unterzeichnenden Parteien den Papieren ein gewisses Gewicht beimessen. Die Unterschrift hat zunächst etwas Symbolisches: Beide Seiten drücken damit die Bereitschaft aus, ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Arbeitsverhältnis zustande bringen zu wollen.

    Gleichzeitig beabsichtigen sie, sich mit dem physischen Dokument rechtlich abzusichern – schließlich sind die Konditionen, denen Arbeitgeber und der Kandidat mit ihren Unterschriften zugestimmt haben, weitestgehend greifbar. In juristischen Angelegenheiten gilt der Arbeitsvertrag somit als rechtskräftiger Beweis. Was viele jedoch nicht wissen: Arbeitsverträge unterliegen nicht dem Schriftformerfordernis, was eine Unterschrift ebenfalls nicht zwingend notwendig macht.

    Dennoch gilt die QES aufgrund ihrer mathematischen Grundlage als vertrauenswürdig; sie beweist, dass die Identität des Senders korrekt ist und das Dokument nicht nachträglich verändert wurde. Dadurch ist sie rechtlich gesehen der händischen Unterschrift gleichgestellt.

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