Die „Babyboomer“-Generation der Software-Unternehmer denkt zunehmend an den Ruhestand. Dabei stellt sich in den meisten Fällen eine entscheidende Frage: Was wird aus dem Unternehmen? Naheliegend erscheint eine Nachfolge innerhalb der Familie. Aber nur wenige dieser Unternehmer haben Kinder, die den Laden übernehmen wollen.
Und viele Software-Unternehmer wollen überhaupt keine Familienlösung. Sie wollen eine Investorenlösung, weil sie den Verkaufserlös zur Finanzierung ihrer Altersversorgung benötigen und gleichzeitig das Unternehmen in sichere Hände weitergeben möchten. Welche Optionen stehen dafür zur Verfügung?
Zunächst ist es wichtig zu wissen: Diese Unternehmer verkaufen nicht um jeden Preis. Deutsche Software-Unternehmer sind ganz überwiegend von der Kultur des deutschen Mittelstands geprägt. Wenn sie in den Ruhestand gehen, wollen sie ihr Lebenswerk in gute Hände übergeben. Außerdem fühlen sie Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Es soll also auch unter dem neuen Eigentümer gewährleistet sein, dass eine wertschätzende Unternehmenskultur erhalten bleibt.
Da erscheint es naheliegend, jemanden als Nachfolger auszuwählen, der das Unternehmen bereits kennt – also beispielsweise Führungskräfte. Ein solcher „Management Buy-Out“ (MBO) hat viele Vorteile. Ein vormals angestellter Geschäftsführer ist bereits in der Kultur des Unternehmens verwurzelt und fühlt sich im Idealfall der Belegschaft verpflichtet. Die Gründer haben also Einfluss darauf, dass sowohl ihr unternehmerisches Erbe als auch ihre Mitarbeiter vorerst abgesichert sind.
Klingt gut, oder? Ganz so einfach ist es aber nicht. Nicht selten scheitern MBO an der Finanzierung – zumal die Gründer ihr Lebenswerk nicht für „Kleingeld“ hergeben. Sie wollen einen marktgängigen Kaufpreis erzielen, der sich an Umsatz, Ertrag und Wettbewerbsposition orientiert. Hinzu kommt, dass wachsende und gut etablierte Softwareunternehmen beim Verkauf an externe Investoren sehr attraktive Kaufpreise erzielen können – nicht selten das Vielfache des Umsatzes.
Der Verkauf an einen externen Erwerber ist deshalb für den Unternehmer die attraktivste Option. Hier sind zum einen Wettbewerber zu nennen. Doch auch eine solche Lösung führt oft nicht zum Ziel. Denn die meisten Wettbewerber haben lediglich Interesse an den Marktanteilen des Konkurrenten und an seiner Technologie.
Die Erfahrung zeigt, dass das erworbene Unternehmen in den meisten der Fälle stark in die Strukturen des Wettbewerbers integriert wird und schließlich ganz verschwindet. Kurz: Das Unternehmen wird regelrecht „geschluckt“. Das ursprüngliche Ziel, die Unternehmenskultur und die Eigenständigkeit zu erhalten, wird nicht erreicht.
Auswahl geeigneter Investoren
Was bleibt, sind Beteiligungs-Unternehmen, die sich auf die IT-Branche spezialisiert haben. Hier gibt es im großen Ganzen zwei Varianten: der Verkauf an einen reinen Finanzinvestor oder die Veräußerung an eine Branchenholding.
„Bei Private Equity-Gesellschaften handelt es sich um Profi-Investoren, die ihre Investitionsentscheidungen meist nach festen Kriterien treffen“, erläutert Henning Schreiber, Deutschland-Geschäftsführer von Everfield. „Jeder Unternehmer sollte sich deshalb das Geschäftsmodell des Investors genau ansehen, ob beide Seiten zueinander passen.“
Kaufpreis und Kaufvertrag
In die Ermittlung des Kaufpreises fließen viele Kriterien ein. Am wichtigsten ist naturgemäß der Umsatz. Genauer: der „wiederkehrende Umsatz“, kurz: „ARR“ (Annual Recurring Revenue). „Hinzu kommen das historische Umsatzwachstum und die Profitmarge“ nennt Henning Schreiber einige weitere Kriterien.
„Relevant sind bei Software-Unternehmen zudem die ‚Gross Retention Rate‘ und die ‚Net Retention Rate‘“, also der Umsatzverlust der Bestandskunden pro Jahr und die Nachfrageentwicklung bei den Bestandskunden. Aus diesen und weiteren wichtigen Zahlen ergibt sich vereinfacht das Potenzial des Unternehmens aus Investorensicht.“
Der gesamte M&A-Prozess ist natürlich deutlich komplexer: Ist der Kontakt hergestellt und auf beiden Seiten Interesse vorhanden, unterzeichnen beide Seiten eine Vertraulichkeitserklärung (NDA). Anschließend findet eine erste Prüfung der Geschäftsunterlagen statt. Danach unterbreitet der Investor ein unverbindliches Kaufpreisangebot.
„Auf dieser Basis beginnt die Sorgfaltsprüfung (Due Diligence) und es wird der Kaufvertrag entwickelt“, so Henning Schreiber. „Der Investor führt die notwendige Due Diligence durch, um ein klares Verständnis für die Organisation, die Software und etwaige finanzielle und operative Risiken zu entwickeln.“
„Des Weiteren entwickeln wir mit den Eigentümern ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmens in den nächsten Jahren. Der Eigentümer erhält den Kaufpreis zum Zeitpunkt des Verkaufs basierend auf der aktuellen Performance des Unternehmens und wird in der Regel an der Entwicklung der kommenden Jahre beteiligt.“
Dieser Prozess ist zwar recht umfangreich, kann aber erstaunlich schnell über die Bühne gehen. „Vom Erstkontakt bis zum ‚Closing‘ des Verkaufs vergehen manchmal nur drei Monate“, stellt Schreiber fest. „Das hängt natürlich davon ab, wie schnell die Beteiligten ihre Entscheidung fällen. Drei Monate sind anspruchsvoll, aber nicht unrealistisch.“
Und nach dem Kaufvertrag? Wie geht es dann weiter? Das hängt natürlich von dem jeweiligen Investor ab. Holding-Gesellschaften wie Everfield wollen bewusst die Unternehmenskultur ihrer Beteiligungen erhalten und bieten aktive Unterstützung. Ihr Fokus liegt auf einem nachhaltigen Wachstum von Umsatz und Ertrag, wobei bspw. bei Everfield ein hauseigenes Operations Team das Unternehmen unter anderem dabei unterstützt, das Produkt und die Organisation zielgenau zu verbessern.
Die Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter nimmt hierbei einen sehr wichtigen Stellenwert ein, da Holding-Gesellschaften wie Everfield, die aus Software-Experten bestehen, verstanden haben, dass die Qualität der Software vollständig auf der Fähigkeit und der Leistung der Mitarbeiter beruht.
Andere Investoren zielen eher auf schnelles Wachstum gefolgt von einem schnellen Exit. Jedes Geschäftsmodell hat seine Berechtigung, und jeder Unternehmer muss selbst entscheiden, was für sich und sein Unternehmen am besten ist.