Spät erkannte Fehler beim EOL- (End of Line) Testing können teuer werden. Ein PKW-Motor, dessen Fehlerhaftigkeit erst nach dem Einbau ins Fahrzeug erkannt wird, verursacht schnell Kosten in Höhe von einigen Tausend Euro. Betroffen sind aber nicht nur Antriebe, Wellen, Getriebe, Bremsen und Gesamtprüfung im Automobilsegment, sondern auch im Schiffs-, LKW- und Flugzeugbau sowie in vielen weiteren Branchen.
Setzen Hersteller ein Embedded-KI-Ultraschallsensoriksystem ein, können sie deutlich mehr Fehler frühzeitig erkennen und dem Problem entgegenwirken. Beim EOL-Testing von Teilkomponenten in der Automobilindustrie werden verschiedene Tests durchgeführt, um zu verhindern, dass eine fehlerhafte Komponente ins Fahrzeug eingebaut wird. Geprüft wird beispielsweise auf Produktionsfehler, Vollständigkeit und fester Sitz von Verschraubungen, richtige Einstellung von Ketten, Zahnrädern und Dichtungen und vieles mehr.
„Fällt der Fehler erst nach dem Einbau – oder noch schlimmer: beim Kunden – auf, entstehen hohe Kosten, die es zu vermeiden gilt. So geht man davon aus, dass der Ausbau eines PKW-Motors einen Zeitaufwand von 460 Minuten bedeutet, Sach- und Folgekosten (z.B. durch eine entstehende Lieferverzögerung) hinzugerechnet, kann sich der Gesamtaufwand schnell auf einige Tausend Euro summieren,“ geht Viacheslav Gromov, Geschäftsführer vom KI-Spezialisten AITAD ins Detail.
Klassische EOL-Testverfahren nutzen bei Kalt- (extern bewegt), Heiß- (selbst bewegend) und Leistungstests bereits Sensorik, beispielsweise Temperatur-, Winkel-, Vibrations- und Drucksensoren, um Abweichungen vom Idealzustand der jeweiligen Komponente zu erkennen. Auch Akustiksensoren kommen zum Einsatz, in deren Daten nach abweichenden Spektrum-Wichtungen gesucht wird.
Am Ende, spätestens nach Montage ins Endprodukt, steht dann oft ein Mensch, der Fehler der Komponente im Testbetrieb „hört“, also an bestimmten Geräuschmustern erkennt, ob das Bauteil in Ordnung oder nicht ist. Trotz dieser Maßnahmen kommt es immer wieder dazu, dass Fehlteile unerkannt bleiben oder viel zu spät entdeckt werden.
Damit der Prüfer Fehler im Geräuschmuster beispielsweise eines Motors erkennen kann, ist meist langjährige Erfahrung notwendig. Dieses Erfahrung droht durch den demographischen Wandel zunehmend zu verschwinden. Ein Szenario, das durch den Mangel an Fachkräften noch verstärkt wird. Der Druck, präzisere und vergleichbare Lösungen für das EOL-Teile-Testing zu finden, ist also aus personellen und auch finanziellen Gründen hoch.
Mehr Daten tiefer auswerten und mehr Fehler frühzeitig finden
Hier kommt die Entwicklung von Embedded-KI Sensoren ins Spiel. Solche Sensoren nutzen KI (Künstliche Intelligenz), um Sensordaten auszuwerten. Da sich KI und Sensor miteinander verschmolzen auf einer Platine befinden, können die Daten nicht nur in Echtzeit (was bei den zum Teil sekundenschnellen Prüfzyklen von großem Vorteil ist), sondern auch viel tiefer ausgewertet werden.
So entstehen beispielsweise an einem Ultraschallsensor, der mit Hunderten Kilohertz Samplingrate und einer vertikalen Auflösung von beispielsweise 32 Bit Signale erfasst, schon ab geringer Anzahl mehrere Terabyte an Rohdaten pro Tag – eine Datenmenge, die über herkömmliche Netzwerkverbindungen nicht praktikabel übertragen werden könnte und was auch in der Werkinfrastruktur und -taktung immer eine größere Herausforderung darstellt.
Embedded-KI aber kann sich die Sensorrohdaten Byte für Byte „ansehen“ und so Dinge sichtbar machen, die vorher unsichtbar waren. Nach der Auswertung werden die Daten gelöscht, das Embedded-KI-Modul gibt nur noch die aus ihnen gewonnenen Informationen weiter. Das macht diese Systeme zusätzlich sehr sicher vor Datenmanipulation oder -raub der sensiblen Produktions-Knowhow-Daten.
Embedded-KI im EOL-Testing
Die besonderen Fähigkeiten der Embedded-KI können für das EOL-Testing verwendet werden und versprechen eine viel höhere Fehlererkennungsrate, als dies mit den herkömmlichen EOL-Testständen mit ausschließlich „klassischer“ Sensorik oder Akustik erreichbar wäre. Dazu müssen die Teststrecken nicht ersetzt, sondern können mit Embedded-KI-Modulen kostengünstig nachgerüstet werden.
„Im oben skizzierten Fall bietet sich eine hochauflösende Ultraschallsensorik-Lösung an, um frühzeitig Fehler zu erkennen und die durch Fehlteile verursachten Kosten möglichst niedrig zu halten. Da es sich um eine datengetriebene Entwicklung handelt, sind verschiedene Entwicklungsschritte erforderlich, bis ein funktionsfähiges „EOL-Frühwarnsystem“ zum Einsatz kommen kann“, so Gromov weiter.
Dazu müssen zunächst an den verschiedenen Test-Stationen mit Hilfe einer mit verschiedenen Sensortypen bestückten Akquise-Hardware Daten gesammelt, mit den auf herkömmlichem Wege gefundenen Fehlern korreliert und in eine Datenbank übertragen werden. Die Datascience untersucht diese Daten und entwickelt auf dieser Basis ein ML-Modell (Machine Learning Modell), das im ersten Schritt auf Anomalieerkennung trainiert, später aber durch Klassifizierung auch viel feiner (Fehlerart und Lokalisation) eingestellt werden kann. Parallel dazu läuft die Weiterentwicklung der endgültigen Sensorhardware, auf die das KI-Modell aufgespielt wird.
Preisgünstige Systeme mit hoher Erkennungsquote
Die Fehlererkennungsquote eines solchen Systems ist sehr hoch, denn die KI analysiert komplexe Muster, die für den Menschen nicht sichtbar wären. „Wir konnten mit einer speziell entwickelten Ultraschall-Sensorik-Lösung bei einem Automobilhersteller eine Erkennungsquote von über 95 Prozent schon früh in der EOL-Testingkette erzielen, was wiederum zu hohen Einsparungen beitrug,“ weiß Gromov konkrete Erfolge zu berichten.
Nicht zuletzt kann die KI sich auch das Erfahrungswissen eines menschlichen Hörers aneignen und dieses objektivieren, wodurch Fehlteile – z.B. schon verbaut im Endprodukt – noch besser selektiert werden. Auch bei Produkt- und Lieferteiländerungen ist diese Lösung sehr hilfreich, denn geänderte Produkte weisen häufig noch hohe Fehlerquoten auf. Durch schnelles Datensammeln und ein Update des KI-Modells kann beim Produktionsanlauf deutlich schneller reagiert werden.
Für viele Branchen interessant
Eine KI-basierte, hochauflösende Ultraschall-Sensorik für den EOL-Test eignet sich für viele Branchen: Von Automobil, LKW über Maschinenbau sowie Schiffs- und Flugzeugbau kann die frühzeitige Selektion von Fehlteilen erheblich Kosten einsparen. Besonders interessant dürften solche Lösungen für den Schiffs- und Flugzeugbau sein, da Motoren in diesen Branchen besonders kostspielig und nach Einbau oft kaum noch wieder auszubauen sind.
Gerade bei Zulieferer-Teiländerungen, neuen Produktionsanläufen oder Montageänderungen kann das System die Risiken und Schäden minimieren. „Je nach Use Case kann eine Embedded-KI-Ultraschall-Sensorik schon ab ca. 100.000 Euro entwickelt, trainiert und integriert werden. Kosten, die sich schnell bezahlt machen,“ nennt Gromov die Entwicklungskosten für ein solches System als einen weiteren Vorteil.
Vorteile Embedded-KI in der Produktion:
- Echtzeitfähig und schnell im Prüfzyklus
- Höhere Fehlerabdeckung durch komplexe Mustererkennung und tiefe - Datenauswertung in Vergleich zu klassischer Sensorik und Algorithmik, bessere Siebquote
- Verarbeitung großer Menge an Daten
- Keine Anforderung an Netzwerkinfrastruktur und keine kontinuierlichen Cloud-Kosten
- Sensible Produktionsdaten dringen nicht nach außen