Wie am Montag bekannt wurde, planen EU-Mitgliedstaaten ein weitreichendes Verbot sicherer Verschlüsselungstechnologien innerhalb der Grenzen der Europäischen Union. Quelle dieser Information ist der Entwurf einer geplanten Deklaration des EU-Ministerrats, der durch den Österreichischen Senders ORF aufgedeckt wurde.
Ein Statement von Arved Graf von Stackelberg, CSO & CMO bei DRACOON:
Medial wurde über einen Zusammenhang mit dem jüngsten Terroranschlag in Wien spekuliert. Konkret würde dies eine weitreichende Ausweitung der digitalen Überwachung bedeuten. Glaubt man der Einschätzung des ORF, müssten sich Messenger-Dienste etwa wie WhatsApp, Signal oder Threema – bei denen Daten per Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geteilt werden – verpflichten, unnötigerweise eine Art „Generalschlüssel“ zu erzeugen.
Dieser Schlüssel würde bei staatlichen Behörden hinterlegt werden und ermöglicht diesen dann den einfachen und schnellen Zugriff auf private Konversationen und andere Informationen. Laut Meinung einiger Medien wird das Wiener Attentat als politisches Argument für ein Mehr an staatlicher Überwachung genutzt – nach aktuellem Kenntnisstand spielte das Thema Verschlüsselung jedoch keine entscheidende Rolle bei der Verübung des Anschlags.
Eine solche Ausweitung der Überwachung wäre nicht nur aus Datenschutzgründen problematisch, sondern auch aus Aspekten der IT-Sicherheit könnte Cyberkriminellen Tür und Tor geöffnet werden, um sensible Nutzerdaten abzugreifen. Insgesamt würde dies einen bedeutenden Rückschritt in Sachen Datensicherheit und -Schutz in Europa darstellen.
Und dies, obwohl die EU im Begriff war, hier eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen und sich als Vorbild für andere Regionen der Erde etabliert hat. Vor knapp zweieinhalb Jahren trat mit der EU-Datenschutzgrundverordnung ein historischer gesetzlicher Vorstoß in Kraft, der den Bürgern der europäischen Union gesetzlich die Macht über ihre Daten zusicherte.
Selbstverständlich war und ist die Aufrechterhaltung der DSGVO-Compliance eine Herausforderung für Unternehmen, aber am Ende des Tages profitieren Wirtschaft und die einzelnen Bürger von dem gesetzlichen Recht auf mehr Datenschutz.
Die besondere Beachtung dieses Themas ist nicht zuletzt für europäische Anbieter von Cloud-Lösungen, aber auch anderer Technologie-Provider hierzulande ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, das sie von US-Anbietern unterscheidet, die dem sogenannten CLOUD-Act in Amerika unterliegen.
Dieser Vorstoß besagt ebenso, dass amerikanische Behörden Zugriff auf gespeicherte Daten von US-Tech-Firmen haben – selbst wenn die Informationen nicht in den USA selbst gespeichert werden. Somit würde die EU mit einem ähnlichen Vorgehen seine beginnende Vorreiterrolle und Vorbildfunktion in Sachen Datenschutz aufgeben.
Die Tatsache, dass nach verheerenden Terroranschlägen seitens der Politik über mögliche Präventionsmaßnahmen nachgedacht wird, ist normal und verständlich. Auch, dass Vorschläge aufkommen, die eine frühere Erkennung von Gefährdern ermöglichen, ist nachvollziehbar. Die Aushebelung eines entscheidenden Rechts – nämlich dem Recht auf Datenschutz – für die Bürger Europas ist hingegen nicht sinnvoll und hat das Potential, großen wirtschaftlichen und ideellen Schaden anzurichten.
Schließlich ist eine lückenlose Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Grundpfeiler sicherer Kommunikation und Kollaboration. Werden Daten auf diesem Wege ausgetauscht, hat jeder Nutzer und jedes Unternehmen selbst die Kontrolle und die Gefahr eines Eingreifens – etwa durch Cyberkriminelle – wird auf ein Minimum reduziert.
Anders gesagt hat der Betrieb bzw. der Nutzer komplette Datensouveränität. Es wäre fatal, dieses wichtige Gut unter dem Deckmantel der Kriminalitätsprävention aufzugeben und die EU in eine unsichere digitale Zukunft zu leiten