Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat große Pläne für das deutsche Stromsystem. Die generelle Richtung, die das Konzeptpapier „Strommarktdesign der Zukunft“ vorgibt, ist dabei zu begrüßen – sicher, bezahlbar und nachhaltig soll die Energieversorgung werden. Bis dahin, da sind sich sowohl Befürworter als auch Kritiker einig, liegt aber noch ein weiter Weg vor uns.
Von Rolf Bienert, Managing und Technical Director bei der OpenADR Alliance.
Der ungefähre Reiseplan soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung etwa so aussehen: Erneuerbare Energien, vornehmlich Solar und Windkraft, sollen sukzessive die fossilen Quellen ablösen, die Energieversorgung wird elektrifiziert und flexible Kraftwerke sowie steuerbare Lasten dienen als Back-up bei Engpässen. Grüner Strom soll zukünftig lokaler nutzbar sein – eine Dezentralisierung der Versorgung und die Einbindung von Unternehmen und Privathaushalten vorausgesetzt.
Jetzt schon voraussehbar sind die kommenden Diskussionen darüber, wie das Ministerium die geplanten Investitionen für den Ausbau erneuerbarer Energien fördern will, ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Auch welche Anreize Teilnehmer erhalten, die selbst generierten Strom einspeisen oder ihren Verbrauch an die vorhandenen Ressourcen anpassen, ist noch Zukunftsmusik.
Abgesehen von diesen notorischen Streitpunkten hat die Bundesregierung mit dem Entwurf vieles richtig gemacht. Unabhängig davon ist es allerdings verwunderlich, dass die Politik nicht schon lange auf den jetzt vorgeschlagenen Weg eingebogen ist – denn weder die vorgestellten Marktsysteme, noch die strategischen Überlegungen zur Umsetzung sind wirklich neu.
Wäre ein Wille vorhanden gewesen, würde sich Deutschland bei seiner Transformation zu einem auf Flexibilität ausgelegten, digitalisierten Versorgungssystem schon sehr viel weiter befinden. Sei dem wie es sei, mit den vier definierten Handlungsfeldern hat das lieber spät als nie vorliegende Konzept die großen Baustellen treffend beschrieben.
Die beiden Investitionsrahmen für erneuerbare Energien und steuerbare Kapazitäten, lokale Signale und eine Flexibilisierung der Nachfrage. Dabei drängt sich dennoch der Eindruck auf, als würden sich sowohl Strategie als auch die Öffentlichkeitsarbeit des Ministerium unverhältnismäßig stark auf die dynamische Gestaltung des Strompreises konzentrieren.
Es geht allerdings um mehr. Natürlich muss es das Ziel sein, Tarife auch langfristig so günstig, stabil und vorausschauend zu gestalten. Eine Elektrifizierung der Energieversorgung und die angestrebte Flexibilität sind darüber hinaus aber auch die Grundlagen für ein effizientes Demand-Side-Management, das eine automatisierte, flächendeckende Versorgung realisiert.
Hier sieht das Papier zwar einige Meilensteine vor – etwa der Roll-out von Smart Meter –, einen Einblick, wie beispielsweise die Kommunikation zwischen Endnutzern und Netzbetreibern technisch umgesetzt werden könnte, fehlt allerdings. Für die nächsten Schritte ist es daher wünschenswert, dass die Strategie hier deutlicher wird.
Denn: Mit einer bloßen Digitalisierung der Energieversorgung ist es nicht getan, notwendig ist vielmehr eine ganzheitliche Interoperabilität der Systeme und Kommunikationswege. Dafür sind offene Standards und Protokolle wie OpenADR, EEBUS oder OCPP notwendig, die Übertragungsproblemen und Datensilos entgegenwirken.
Sie sind wiederum die Prämisse für das Ziel, alle Haushalte und die gesamte Wirtschaft als aktive Teilnehmer in den Strommarkt zu integrieren – und damit wirkliche Flexibilität zu erreichen. Eine Entwicklung, die sich über mehrere Jahre hinziehen wird und mit großem Aufwand verbunden ist. Dafür hat die Bundesregierung jetzt den ersten Schritt gemacht, der allerdings noch viele offene Fragen hinterlässt und den technologischen Fokus vernachlässigt.