Die Marktbedingungen für Versicherungsunternehmen befinden sich nicht zuletzt durch die digitale Transformation in einem fundamentalen Wandel. Eine aktuelle, vom IT-Dienstleister adesso beauftragte und von den Versicherungsforen Leipzig durchgeführte Studie identifiziert neue Geschäftsmodelle.

Der deutsche Versicherungsmarkt ist weitgehend gesättigt, die Wachstumschancen sind begrenzt. Gleichzeitig drängen branchenfremde Unternehmen in den Markt. Die fortschreitende Digitalisierung lässt Branchengrenzen verschwimmen und erleichtert neuen Wettbewerbern den Markteintritt. Versicherer müssen auf diese Veränderungen reagieren.

Vor diesem Hintergrund zeigt die Studie "Geschäftsmodelle 4.0 – Was die Assekuranz von anderen Branchen lernen kann" neue Geschäftsmodelle für Versicherer auf. Dazu analysierten die Studienautoren zunächst branchen-übergreifende Entwicklungen und leiteten daraus dann neue Möglichkeiten ab, mit denen Versicherer aktiv die Zukunft ihrer Branche gestalten können. In einem abschließenden Schritt wurden die Ergebnisse mit Vorständen von Versicherungen diskutiert und bewertet.

Folgende neue Geschäftsmodelle für die Bereiche Produkte, Vertrieb und Beratung, Preisfindung und Underwriting sowie Schaden und Leistung hat die Studie identifiziert:

Produkte
Der Versicherer als "Allround-Kümmerer": Durch die Bündelung themennaher Dienstleistungen und Produkte haben Versicherer die Chance, "Alles-aus-einer-Hand-Leistungen" anzubieten. Der Kunde kann einfach und bequem Leistungen von nur einer Anlaufstelle beziehen.

Der Versicherer als reiner Risikoträger: Der Anteil versicherungsfremder Konkurrenz wie Autohäuser oder Internetgrößen nimmt immer weiter zu. In Kooperation mit ihnen könnten Versicherer als reiner Servicedienstleister für sie fungieren, ohne eigenen Kundenkontakt und Marktpräsenz aufrechtzuerhalten.

"Situative Life" – Absicherung und Kapitalbindung für kurvenreiche Lebensläufe: Lebensläufe werden unsicherer und die Bereitschaft, die eigene Freiheit langfristig einzuschränken, stößt an Grenzen. Passend zur wechselnden Versorgungs- und Verpflichtungssituation kann eine adaptive Kombination von Versicherungen greifen.

Vertrieb und Beratung
Verzahnung aller Vertriebskanäle: Kunden nutzen zunehmend sowohl die Online- als auch die Offlinekanäle für Konsumzwecke. Kundenservices der Zukunft müssen deshalb durch eine medienbruchfreie Gestaltung wesentlich vereinfacht und beschleunigt werden.

Predictive Marketing – zielpersonengenaue Ansprache: Kunden möchten heute möglichst individuell angesprochen werden. Eine Auswertung ihrer Daten kann bestehende Verhaltensmuster sichtbar machen und ermöglicht dem Versicherer ein profilbezogenes und emotionales Marketing sowie eine personengenaue Produktplatzierung.

Customer Centric Service Management – die "beraterlose Beratung": Kunden erwarten einen Dialog auf Augenhöhe und sind bereit, eigenständig Prozesse und Aufgaben zu übernehmen. Per Webservice oder mobile App werden Funktionen wie Vertragsänderung oder Schadenmeldung an die Kunden ausgelagert.

Preisfindung und Underwriting
Elastische Preisfindung – sinnvolle Segmentierung statt blindem Preiskampf: Preise und Ausstattungsmerkmale werden künftig datengestützt vorgeschlagen – individuell oder für stark ausdifferenzierte Kundensegmente. Datenanalysen und komplexe Segmentierung werden das "Bauchgefühl" mittelfristig übertreffen.

"Pay-as-you-live-Tarife" – Risikobewertung in Echtzeit: Menschen erheben immer mehr Daten über sich und ihre Umwelt. Das ermöglicht Tarife, bei denen der Kunde nur für das Risiko zahlt, dem er wirklich ausgesetzt ist. Die größten Herausforderungen für solche "Pay-as-you-live-Tarife" sind Datenschutz, Kundenakzeptanz sowie Datenanalyse.

Tariflose Produkte – individuelle Preisschilder für Produktpakete: Mathematische Modelle für tariflose Produkte existieren bereits seit den 1990er Jahren. Die technischen Möglichkeiten machen sie heute aber erst wirtschaftlich umsetzbar. Sie bieten dem Kunden maximale Flexibilität und senken den Verwaltungsaufwand des Versicherers.

Schaden und Leistung
Predictive Prevention: Der beste Schaden ist der, der nicht eintritt. Fortschrittliche Prognosemodelle erlauben eine Weiterentwicklung des Versicherungskonzepts weg von der Schadenbeseitigung und hin zur Schadenverhinderung. Viele Akteure stehen in den Startlöchern und haben großes Interesse an den künftig durch Smart Devices erfassten Daten.

"Angesichts der fundamentalen Marktveränderungen genügt es nicht mehr, wenn Versicherer nur an einzelnen Stellschrauben drehen", sagt Burkhard Herold, Bereichsleiter Consulting Insurance bei der adesso AG. "Um die Vormacht über das eigene Geschäft nicht zu verlieren, müssen sie stattdessen ihre Geschäftsmodelle selbst hinterfragen. Die Digitalisierung stellt dabei nicht nur eine Bedrohung dar, sondern ist auch eine einmalige Chance, neue Produkt-, Vertriebs- und Serviceansätze auf den Weg zu bringen."

"Branchenübergreifend geht es heute nicht mehr nur darum, den Kunden mit seinen Wünschen und Erwartungen zufriedenzustellen", ergänzt Markus Rosenbaum, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig. "Digitalisierung, Vernetzung und Mobilisierung haben bereits viele Bereiche des Lebens der Kunden entscheidend verändert. Darauf müssen sich auch Versicherungsunternehmen in Zukunft einstellen. Innovationen und neue Geschäftsmodelle sind für die Assekuranz daher nicht länger nur eine Option, sondern werden zur Notwendigkeit, um langfristig das Geschäft zu sichern. Digitale Kompetenz wird für alle Marktteilnehmer zukunftsentscheidend."

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