Edge Computing wird 2022 das Trendthema sein. Vor allem in der Automobilindustrie werden Edge-Implementierungen die Entwicklung moderner Fahrzeuge, die softwaregesteuert, autonom und vernetzt sind, massiv vorantreiben. Harald Ruckriegel, Chief Technologist Automotive and Strategic Business Development bei Red Hat, sieht dabei einige zentrale Trends, die die Branche prägen werden.

Edge Computing ist derzeit in vielen Branchen ein wichtiges Thema: von der Telekommunikation über die Energieversorgung bis hin zum Gesundheitswesen. Auch bei der Umsetzung innovativer Smart-City-Konzepte spielt Edge Computing eine entscheidende Rolle.

Besonders dynamisch ist aber die Entwicklung im Automobilsektor: Factory Edge und Vehicle Edge sind hier die Anwendungsszenarien. Factory Edge zielt auf Fertigungs- und Logistikprozesse ab, Vehicle Edge ist die Grundlage für vernetzte Fahrzeuge.

Im Automobilsektor gibt es dazu folgende Entwicklungen, die das Jahr 2022 nachhaltig bestimmen werden:

  1. Software-defined Everything
    Die Chip-Knappheit hat auch den Automobilbereich massiv getroffen, oft sogar stärker als andere Branchen. Ein Grund dafür ist, dass die Automotive-OEMs nicht zu den Hauptkunden der wenigen Chip-Hersteller gehören, die in anderen Branchen deutlich höhere Absatzmengen generieren können.

    Für Anforderungen in High-End-Bereichen, etwa für die Chip-Bereitstellung in der Telekommunikation oder in Rechenzentren, sind zudem für die Hersteller höhere Margen als im Automotive-Segment erzielbar. Diese Entwicklung hat einen generellen Trend weiter verstärkt, das Software-defined Everything, also die Entkopplung der Software von der Hardware.

    Sie ermöglicht neben der Hardware-Unabhängigkeit eine Standardisierung und bietet viele Vorteile wie geringere Kosten, eine höhere Skalierbarkeit und Flexibilität sowie ein vereinfachtes Management. Durch die Abstrahierung der Software von der Hardware können auch neue Funktionen schneller bereitgestellt werden.

    Die Fahrzeug-Embedded-Welt war bisher von einer Hochspezialisierung mit der Nutzung zahlreicher Steuergeräte, den sogenannten ECUs (Electronic Control Units) gekennzeichnet. Das Software-defined-Konzept ermöglicht nun auch die Entwicklung von ECUs, die mehrere Funktionen abdecken können. Dadurch müssen auch weniger Steuergeräte verbaut werden.

    Prinzipiell wird der Software-definierte Ansatz von der Edge, also dem Fahrzeug, über das Rechenzentrum bis zur Cloud verstärkt an Bedeutung gewinnen.

  1. Vernetzung
    Edge Computing wird im Automotive-Bereich auch erhebliche Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette der Hersteller haben: mit einer umfassenden Vernetzung von der Forschung und Entwicklung über den Vertrieb und das Marketing bis hin zur Produktion und zum After-Sales. Eine Konsequenz ist die stärkere Verknüpfung der Phasen Pre-SOP (Start of Production), SOP und Post-SOP.

    Folglich werden auch bisher eher getrennte Welten wie Vehicle Edge und Factory Edge enger zusammenwachsen. Vehicle Edge deckt dabei Fahrzeug-Onboard und -Offboard ab und ist eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung des sogenannten ACES-Konzepts. Es steht für Autonomes Fahren (Autonomous), Vernetzung (Connected), elektrische Antriebe (Electrified) und flexible Nutzung (Shared/Services).

    Und Factory Edge bildet die Basis für innovative Industrie-4.0- und IoT-Szenarien und damit für effiziente und intelligente Geschäftsprozesse, die die Entwicklung smarter Fahrzeuge unterstützen. Durch die zunehmende Vernetzung können zum Beispiel Daten aus dem Connected Car gewonnen werden, die unmittelbar in den Entwicklungs- und Produktionsprozess einfließen.

    Darüber hinaus sind auch übergreifende Anwendungsfälle umsetzbar, die von fahrzeugspezifischen Smart-Car-Funktionen bis hin zu Service-Themen wie Mobility Services und Ride Sharing reichen.

  1. Open Source
    Viele künftige Entwicklungen gehen in Richtung Open Source. Bisher werden Standardisierungen im Automotive-Segment etwa von Entwicklungspartnerschaften wie AUTOSAR über Spezifikationen vorangetrieben. Das Ergebnis sind sehr umfangreiche, komplexe Standards, die einen hohen Aufwand für die OEMs nach sich ziehen.

    Daneben etabliert sich immer mehr der Ansatz "Standardisierung über Open Source", der eine implementierungsgetriebene Standardisierung unterstützt. Dabei kann auf ein umfassendes, kontinuierlich wachsendes Open-Source-Ökosystem zurückgegriffen werden. Gleichzeitig ist auch bei den bestehenden Standards ein verstärkter Trend zur Nutzung von Open Source und modernen Softwaretechnologien erkennbar.

 

  1. Hybrid-Cloud und Multi-Cloud
    Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung im Automotive-Bereich erfordern auch die Nutzung einer Hybrid-Cloud- oder Multi-Cloud-IT-Infrastruktur. Nur damit können Anwendungen in kurzen Entwicklungszyklen in einer dynamisch skalierbaren Umgebung bereitgestellt werden.

    Dabei ist zu beachten, dass Edge-Themen nicht ohne Weiteres in die Cloud gebracht werden können, sondern die IT-Technologien an den Einsatzort verlagert werden müssen.  Die Edge stellt somit starke Integrationsanforderungen – etwa hinsichtlich Echtzeitverarbeitung, Security oder Safety.

    Eine offene Hybrid-Cloud-Plattform muss folglich auch Edge-Implementierungen unterstützen, das heißt, sie muss als gemeinsame horizontale Plattform fungieren, die vom Core bis zur Edge eine einheitliche Entwicklungs- und Betriebserfahrung bietet. Eine solche Plattform stellt Red Hat mit Red Hat OpenShift Container Platform bereit.

  1. Community Engagement
    Zahlreiche Communities, Initiativen und Projektgruppen treiben die Entwicklungen im Automotive-Segment aktiv voran. Dazu zählen etwa SOAFEE (Scalable Open Architecture for Embedded Edge), SDV.edge (Software-Defined Vehicle) der Eclipse Foundation oder ELISA (Enabling Linux In Safety Applications).

    Im Fokus stehen dabei Themen wie Software-defined Vehicle, Edge, Linux als Betriebssystem im Fahrzeug, Container Runtime oder Cloud-Connectivity. Auch Red Hat ist in zahlreichen Initiativen vertreten und zum Beispiel auf der Entwicklungsplattform CentOS Stream mit einer eigenen Automotive Special Interest Group maßgeblich an der Konzeption eines In-Vehicle OS beteiligt.

Die meisten Automotive-OEMs intensivieren derzeit ihre Aktivitäten und Entwicklungen rund um Autonomes Fahren und Fahrerassistenzsysteme, Smart Car und Infotainment sowie Mobility Services und Smart City.

Edge Computing und Hybrid-Cloud-Modelle sind dabei entscheidende Technologietreiber. Und Open-Source-Lösungen bilden vielfach die elementare Infrastrukturplattform.

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