Während Wissensarbeitende in den vergangenen Jahren bis an die Zähne digitalisiert wurden, stellt sich die Frage, wo die operativ Arbeitenden in der Digitalisierung bleiben. Warum sind bisher stolze 80% der Belegschaft in allen produzierenden Unternehmen in Hinblick auf die Digitalisierung noch kaum berücksichtigt worden? Dabei sind die sogenannten Frontline-Worker für Organisationen ein so wichtiger Erfolgsfaktor.
Ein Beitrag von Michael Jung, Bereichsleitung Microsoft Software Solutions bei Bechtle.
Die Frontline-Worker, also die Mitarbeitenden der Produktion, Shops, Logistik oder aus dem Service sprechen oft als Erste mit Kunden, sehen als Erste Produkte und Dienstleistungen in Aktion und repräsentieren die Marke des Unternehmens. Warum also sind diese Mitarbeitenden vielerorts oft noch die Letzten, die von den Vorteilen moderner Technologie profitieren dürfen?
Müssen sich Mitarbeitende in der Fabrikhalle mit vielen analogen Arbeitsabläufen beschäftigen, für die es längst einfachen digitalen Ersatz gibt, könnten sie das als fehlende Wertschätzung interpretieren. Die Folge: Die Bindung an ihr Unternehmen schwindet, kann sogar zerstört werden. Fatal, bedenkt man den akuten Fachkräftemangel.
„Made in Germany“ auf dem Sprung in die Rente?
Der derzeit schon schmerzhafte Fachkräftemangel wird sich mit der Verrentung der Babyboomer-Generation nochmals verschlimmern – laut Statistischem Bundesamt treten 12,9 Millionen Menschen bis 2036 in den Ruhestand, das sind 30 % aller aktuell Beschäftigten! Zum numerischen Drama kommt ein inhaltliches: Die Kompetenz der Mitarbeitenden in produzierenden Unternehmen in Deutschland liegt aktuell bei Babyboomern.
Sie sind heute die Hallenvorsteher, Meister, Ausbilderinnen oder Anlernende, die Berufsältesten. Finden sich nicht schnellstmöglich Wege, deren jahrzehntelang gesammelte Berufserfahrung sowie ihren gigantischen Wissensschatz zu konservieren und den beruflichen Nachkommen zu erschließen, wird ein Großteil der Kompetenz hinter dem weltweit anerkannten Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ in Rente gehen. Die dramatischen Folgen für die deutsche Wirtschaft wären gar nicht abschätzbar.
Um den demographischen Wandel auszugleichen, bräuchte es in Deutschland laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung eine Zuwanderung von 400.000 bis 500.000 Menschen – und das nicht nur einmalig, sondern jedes Jahr, stellten renommierte Wissenschaftler Ende 2022 fest. Und dabei geht es nicht um Wissensarbeiter:innen, die unserem Arbeitsmarkt fehlen.
Laut KOFA stammen die ersten drei der zehn Berufe mit den größten Fachkräftelücken aus dem Handwerk, genauer der Bauelektrik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie Kraftfahrzeugtechnik. Genau in diesen Bereichen fehlten im vergangenen Jahr bereits rund 87.000 Fachkräfte.
Doch neben Deutschland kämpfen längst viele andere Nationen um Fachkräftenachwuchs und wir haben spezielle Hürden zu überwinden, wie die deutsche Bürokratie, fehlende Aufstiegschancen, Probleme bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufsausbildungen sowie natürlich unsere besonders schwer zu erlernende Sprache.
Kurz: wir brauchen innovative Ideen, um das Interesse des in- und ausländischen Nachwuchses an deutschen Unternehmen zu steigern – und zwar schnell. Eine Möglichkeit, die Attraktivität spürbar zu steigern, sehe ich in der Digitalisierung.
Attraktiv für den Unternehmensnachwuchs
Moderne und schicke Endgeräte, die für mobile Arbeit gemacht sind, robust und dennoch schlank, machen Eindruck – gerade bei jüngeren Arbeitnehmenden. Aus dem Privatbereich wissen wir: Ein schickes Device muss sein! Die Hardware ist das eine, die Software die nächste wichtige Komponente. Hier muss man keine neuen, ungewissen Pfade beschreiten, sondern kann Windows als Betriebssystem und beliebten Anwendungen wie Microsoft Teams vertrauen.
Die meisten Mitarbeitenden finden sich damit schnell zurecht, weil sie die Oberflächen aus dem Privatleben kennen. Zudem müssen Unternehmen ein Verständnis dafür entwickeln, dass die Generation Z (also alle nach 1995 Geborenen) neue Medien zur Aufgabenbewältigung nutzt. Will ein solcher „Digital Native“ ein neues Tool kennenlernen, liest er keinen Text oder klickt sich durch ein PDF, sondern schaut ein YouTube-Video an.
Das muss auch auf den Shopfloor übertragen und sich zunutze gemacht werden! Bewegtbild-Material überwindet beispielsweise Sprachbarrieren im Flug, sodass Arbeitsanweisungen, Anwendungen, Gebrauchsanleitungen in Videoform – über Tablets direkt in der Fabrikhalle abrufbar – ohne Lesetext auskommen und selbst komplexe Arbeitsabläufe leicht verständlich darstellen. Dadurch können neue Arbeitskräfte – gerade auch solche mit Migrationshintergrund – sofort effektiv in den Arbeitsprozess eingebunden und mit wichtigen Aufgaben betraut werden.
Wo Digitalisierung wirklich Sinn macht
In der Praxis ergeben sich direkt drei Anwendungsfälle für eine sinnvolle Digitalisierung in Industriebetrieben. Die Materialbeschaffung basiert beispielsweise in vielen Werkhallen heutzutage noch auf Papier – dabei sind dieselben Abläufe in den Verwaltungen häufig schon digitalisiert. Jeder kennt das Szenario: An den Wänden hängen Urlaubs- und Schichtpläne, in Wandregalen stapeln sich Ordner voller Krankmeldungen, Überstun¬denzettel und Urlaubsanträge.
Für jeden Personalbedarf gibt es ein Papierformular, das von A nach B getragen und abgegeben werden muss. Jahr für Jahr kommt so bergeweise Papier zusammen. Ebenso wie eine seit Beginn 2023 gesetzlich verpflichtende Arbeitszeiterfassung lässt sich das alles viel leichter, ressourcenschonender und genauer digital umsetzen. Ob vom Smartphone oder Surface Go: Ein Plan für neue Schichten ist binnen weniger Minuten erstellt.
Großer Vorteil: Echtzeit-überblick über alle Änderungen, wie bei¬spielsweise Krankmeldungen oder Verspätungen, der an alle beteiligten Personen übermittelt wird. Das spart den Mitarbeitenden unnötigen Stress und Zeit.
Der Bestellablauf für alltägliches Verschleißmaterial wie Arbeitshandschuhe, Cuttermesser oder sogar Schrauben kostet viel zu viel Zeit und Ressourcen. Hier schaffen digitale Lösungen direkt am Ort des Arbeitens – über mobile Tablets oder Laptops – erhebliche Steigerungen der Produktivität. So kann z.B. eine entsprechende Materialbestellung digital ausgelöst werden, was hohe Prozesskostenersparnisse einbringt, weil die Bearbeitungszeit pro Bestellung bis zu 70 % sinkt.
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für die Digitalisierung sind die Maschinen in der Werkhalle, sozusagen das Herz der Produktion, die im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert sind. Da bedeuten Instandhaltung und Wartungsarbeiten einen Maschinenstillstand und damit kostspieligen Produktionsausfall.
Optimal unterstützt durch digitale Tools und Endgeräte können jedoch die Mitarbeitenden auf dem Shopfloor wichtige Wartungschecks selbst durchführen und beispielsweise bei kritischem Ölstand, Geräuschentwicklung oder Überhitzung der Maschine regulierend eingreifen und den Maschinenverschleiß deutlich reduzieren.
Drum prüfe, wer sich (digital) bindet!
Mit der Anschaffung von Hard- und Software alleine ist es aber noch lange nicht getan. Die Produktivität moderner Arbeitsplätze lässt sich erst durch ein richtiges und zuver¬lässiges Zusammenspiel zahlreicher Systeme und Prozesse ausschöpfen: die passenden Softwarelösungen, die auf zuverlässiger Hardware laufen und von geschulten Mit¬arbeitenden genutzt werden. Dafür suchen KMU nach dem Grundsatz „Partnerschaft meint, dass man es gut miteinander meint“ idealerweise einen erfahrenen Partner, der ihnen auf Augenhöhe begegnet und dieselbe Sprache spricht.
Die Digitalisierungsexpert:innen in der Nähe zu haben, die dann „mal eben schnell“ vor Ort nach dem Rechten sehen, etwas konfigurieren oder testen können, spricht für eine Partnerwahl mit regionalem Standort. Daneben wäre es gut, alle Services aus einer Hand buchen zu können. Das reduziert den Aufwand für Koordination und Kommunikation über Schnittstellen zu mitunter verschiedenen Herstellern und macht den Projektaufwand so überschaubar und kostengünstig wie möglich.
Optimalerweise achten KMU schon vor der Anschaffung darauf, dass auch umfassende Systemhaus¬dienstleistungen wie das Kümmern um einen reibungslosen IT-Betrieb durch einen erfahrenen externen IT-Dienstleister mitgebucht werden können. Nur mit der Neuanschaffung ist noch kein Digitalprojekt gelungen: Wenn der Partner nun noch die Vorteile der Neueinführung den Mitarbeitenden so erklären kann, dass der Mehrwert für die eigene Arbeit deutlich und eine hohe Bereitschaft zur Nutzung der neuen IT geschaffen wird, haben Unternehmen ihr Ja-Wort dem Richtigen gegeben!
Können KMU auf einen Partner für Kauf oder Miete, Einrichtung und Wartung von Geräten, Konfiguration und Abrechnung von Software- und Cloudlizenzen sowie erstklassigen Anwendersupport aus einer starken Hand bauen, profitieren sie maximal von einer sorgenfreien Digitalisierung ihrer operativ Mitarbeitenden.