Bereits im Jahr 2014 wurden über WhatsApp mehr Nachrichten versendet als per SMS. Heute ist WhatsApp mit einer Milliarde aktiver Nutzer pro Tag für ein Siebtel der Erdbevölkerung die Messaging-Plattform der Wahl.
Dennoch gab es bis vor Kurzem offiziell keine Möglichkeit für Unternehmen, über WhatsApp mit ihren Kunden zu kommunizieren. Das ändert sich mit der Ankündigung von WhatsApp Business und seinen neuen Enterprise-APIs. Ob Unternehmen den Dienst nutzen möchten oder nicht – WhatsApp ist dabei, den Weg in die verschiedenen Branchen zu finden. Doch was bedeutet das für die Kommunikation mit dem Kunden?
Hier zunächst ein Überblick über das neue Angebot von WhatsApp:
- WhatsApp stellt verifizierte Konten für Unternehmen bereit.
- Die neue WhatsApp Business-App unterstützt Unternehmen bei der Kommunikation mit ihren Kunden über die WhatsApp-Plattform.
- Für größere Kunden wird eine API verfügbar sein, die das Versenden automatisierter A2P-Nachrichten (A2P = Application-to-Person) erlaubt.
Im Prinzip ermöglicht WhatsApp den Unternehmen, auf die gleiche Weise mit ihren Kunden zu kommunizieren, wie sie es derzeit per SMS oder anderen Kanälen tun. Das wirft eine grundlegende Frage auf: Warum sollte ein Unternehmen WhatsApp nutzen, wenn es seine Kunden auch per SMS ansprechen kann?
Messaging-Apps vs. SMS
Die Nutzung von Chat-Plattformen mit größerem Angebotsspektrum hat sowohl technische als auch soziale Vorteile. 2012 wurden weltweit 20 Milliarden Nachrichten pro Tag per SMS verschickt. Dann gab es immer mehr Smartphones, und die Textkommunikation verlagerte sich von der SMS auf Instant-Messaging-Plattformen. Neben WhatsApp entstanden weitere, regional dominierende Plattformen, wie beispielsweise WeChat in China, Line in Japan und Viber im Nahen Osten und Osteuropa.
Angesichts dieser Entwicklung kann die Allgegenwärtigkeit der SMS nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eine Technologie von gestern ist. Trotz Behelfslösungen ist und bleibt die SMS auf 160 Zeichen beschränkt und unterstützt nur Text. Wie telekommunikationsgestützte Standards wie RCS und MMS abschneiden werden, bleibt noch abzuwarten.
Und obwohl SMS-Nachrichten in erschwinglichen Pauschalpaketen angeboten werden, sind die Menschen darauf geeicht, dass die SMS eine knappe Ressource ist, bei der jede Mitteilung mit Kosten verbunden ist.
Aber um Gerechtigkeit walten zu lassen: Im Gegensatz zu Mobilfunknetzbetreibern sind Chat-Apps wie WhatsApp nicht gezwungen, mit Hunderten von Mitbewerbern auf der ganzen Welt einen neuen Standard zu vereinbaren. Dennoch sind SMS-Nachrichten nicht übermäßig beliebt; die Verbraucher sind in Scharen zu anderen, attraktiveren Alternativen übergelaufen.
Sicher: Die SMS hat den Vorteil, von jedem Mobiltelefon empfangen werden zu können. Aber sie ist nur noch eine von mehreren Optionen für Nutzer, die rasch eine kurze Mitteilung verschicken wollen. Dabei picken sie sich nicht einfach irgendeine heraus, sondern entscheiden sich für den Kanal, der die meisten Möglichkeiten bietet.
„Graceful Degradation“ im Kunden-Messaging
In der Webentwicklung gibt es das Konzept der „Graceful Degradation“. Damit ist gemeint, dass eine attraktive, vielfältige Online-Experience für moderne Browser entwickelt wird, gleichzeitig aber auch die Endgeräte berücksichtigt werden, die diese Experience nicht vollständig darstellen können. So werden einerseits JavaScript, Videos, Animationen usw. für Highend-Geräte und andererseits einfache HTML-Seiten verwendet, die sich mit Screenreadern und rein textbasierten Browsern lesen lassen.
Das gleiche Konzept lässt sich auf die Kundenkommunikation anwenden. Eine Plattform mit den vielfältigsten Funktionen bietet uns Möglichkeiten zur Kundenansprache, die es zuvor nicht gab. Und damit ist nicht nur das Versenden von Videos und Bildern gemeint.
Es gibt Fälle, in denen SMS-Nachrichten versagen – Lesebestätigungen zum Beispiel sind eher unzuverlässig, insbesondere, wenn eine Nachricht mehrere Netzwerke passieren muss. Ein weiteres Problem ist das offene Konzept der SMS, die es für den Handel oder persönliche Informationen ungeeignet machen.
WhatsApp dagegen kann seinen Unternehmenskunden verbindliche Lesebestätigungen zustellen, da die Nachrichten innerhalb derselben Plattform hin- und hergehen. So ist es auch einfacher, den Return of Investment zu messen. Dank End-to-End-Verschlüsselung und einem reduzierten Spoofing-Risiko bietet WhatsApp prinzipiell die Möglichkeit, sensiblere Informationen zu versenden, als dies per SMS möglich ist. Wenn man nach dem Beispiel von WeChat geht, könnte WhatsApp sogar die Abwicklung von Zahlungen und Einkäufen ermöglichen.
Durch die Anwendung des „Graceful Degradation“-Prinzips auf die Kundenkommunikation lassen sich alle Funktionen vielseitiger Plattformen nutzen und gleichzeitig die Kunden bedienen, von denen nur die SMS-Kontaktdaten vorhanden sind.
Die Vorteile in sich geschlossener Messaging-Apps überwiegen
Natürlich haben in sich geschlossene Plattformen Nachteile. Eine erfolgreiche Messaging-App könnte die Unternehmen beispielsweise mit niedrigen Preisen anlocken und anschließend, wenn genügend Nutzer und Unternehmen in die Plattform investiert haben, ihre Gebühren massiv erhöhen.
Um dieses Risiko zu verringern, gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, dem Kunden mehrere Kommunikationswege anzubieten. Die zweite, einen Proxy-Dienst zu nutzen, statt sich bei jeder Messaging-Plattform direkt anzumelden.
Mit einem Proxy-Dienst wie etwa einem Cloud-Kommunikationsanbieter können die Unternehmen problemlos zwischen verschiedenen Messaging-Plattformen hin- und herschalten und auf SMS-Nachrichten zurückgreifen, wenn es notwendig ist. Dadurch wird nicht nur die „Graceful Degradation“ sehr viel einfacher – das Unternehmen verteilt außerdem seine Investition auf mehrere Chat-Zielplattformen und ist nicht mehr den unfairen Preiserhöhungen einzelner Anbieter ausgeliefert.
Dennoch bieten in sich geschlossene Chat-Plattform erhebliche Vorteile: Auf der einen Seite können sie sich rasch weiterentwickeln. Auf der anderen Seite sind alle Komponenten der Plattform in der Regel eng miteinander verzahnt und authentifiziert. Das sorgt für eine bessere Experience und ein zuverlässigeres Tracking. Der Hauptvorteil besteht im Fall von WhatsApp wahrscheinlich in der Kontoverifizierung, die die Zugehörigkeit einer Telefonnummer zu einem Unternehmenskonto bestätigt.
WhatsApp – ein enormes Potenzial
Zum jetzigen Zeitpunkt ist WhatsApp noch eine Messaging-App. Es hat aber das Potenzial zum breit gefächerten Ökosystem, das den Unternehmen alle Arten von Interaktion mit ihren Kunden ermöglicht. Natürlich wird es SMS, E-Mail und die guten alten Telefongespräche weiterhin geben – doch ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung, nämlich eine Milliarde Menschen, nutzt eine attraktivere Form der Sofortkommunikation. Und wer als Unternehmen WhatsApp nicht nutzt, muss damit rechnen, dass es seine Mitbewerber tun.