In der Pandemie sind bei vielen Unternehmen Lücken und Verwerfungen im Service sichtbar geworden. Kunden mussten häufig mit Fehlern und Verzögerungen leben. Bei den notwendigen Aktivitäten zur Erhöhung der Servicequalität sollten strategische und taktische Maßnahmen sinnvoll miteinander verwoben, und auf ein klar definiertes Ziel ausgerichtet werden.
Die Gründe für die Probleme im Kundenservice während der Krise waren auf den ersten Blick oft ganz profan. So mussten beispielsweise viele Kunden mit unangenehmen Verzögerungen bei der Schadensabwicklung leben, weil ihre Versicherung schlicht nicht genug Notebooks hatte, um ihren Mitarbeitern die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen.
Ähnlich erging es Kunden mit einer Kreditfrage bei ihrem Finanzdienstleister, einem Anliegen bei einer Krankenkasse oder Vorgängen bei Behörden. Die Änderung von Kreditbedingungen oder Anmeldung eines neuen Fahrzeugs konnte sich da schon einmal zur veritablen Geduldsprobe auswachsen. Bei der Behebung dieser Probleme sind Investitionen in neues mobiles Arbeiten und bessere IT-Infrastruktur aber nur der erste Schritt.
Die Suche nach dem Missing Link kommt nach…
Die meisten Kunden und Mitarbeiter hatten zwar Verständnis für Serviceprobleme und Verzögerungen in der Pandemie. Doch gleichzeitig wurden die Lücken im Kundenservice und die Probleme in der internen Abwicklung schonungslos offengelegt.
Noch nie war und ist die Kluft zwischen Expierence Centric Organisationen wie Amazon, Netflix oder Zoom und den klassisch orientierten und operierenden Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Behörden so deutlich spürbar. Dies lag und liegt in der Regel weder an den etablierten Kundenkanälen, noch an den zentralen Bestandssystemen im Hintergrund, sondern im mangelhaften Zusammenspiel der Prozesse für alle Beteiligten und auch die unterstützenden Systeme.
Prozesslücken, die in der Vergangenheit durch informelle Strukturen und Workarounds der Mitarbeiter kaschiert wurden, waren häufig gekappt oder zumindest stark beeinträchtigt. Die Pandemie hat diese Unzulänglichkeiten unmittelbar und ungefiltert sichtbar gemacht. Die dafür verantwortlichen Prozessprobleme sind jetzt als der Missing Link für optimale Kundenerlebnisse identifiziert.
Die Prozessdigitalisierung gilt als das vermeintlich vordringlichste Problem und vordringlicher Lösungsansatz. Dabei wird übersehen, dass zuerst die grundsätzliche Frage gestellt werden muss, ob die vorhandenen Services überhaupt geeignet sind, die gewünschten und angestrebten Kunden- und Mitarbeitererfahrungen zu bieten.
Vor der Pandemie drehten sich die zentralen Themen bei der Digitalen Transformation oft um die organisatorische Effizienz, die Verbesserung der Lösungen, Produkte und Services, die Kundenbedürfnisse besser adressieren oder Fragen der Customer-Lifetime Value, die mit der Digitalisierung von Customer Journeys und neuen Servicekonzept-Ideen gelöst werden sollten. Digitalisierung ist aber mehr als nur Technik. Sie muss die Expierence der Kunden und Mitarbeiter als zentrale Differenzierungsmerkmale eines Unternehmens etablieren.
…der strategischen Definition von optimalen Services
Dadurch verändern sich die Fragestellungen: Was fühlen und denken unsere Kunden? Wie können wir die Kundenerfahrungen mit unseren Produkten und Services aktiv gestalten und permanent verbessert? Wie können wir dafür das Wissen aller Mitarbeiter in diesen Wandel mit einbinden? Diese Fragen geben der Umsetzung in Form von Prozessoptimierung, Digitalisierung und gemeinsamer Transformation der Unternehmenskultur eine neue Richtung.
Die Experience der Kunden und Mitarbeiter wird damit zur Messlatte für die Digitalisierungsmaßnahmen. Anders gesagt: Bevor entschieden wird WIE digitalisiert wird, muss vorab geprüft und entschieden werden, WAS digitalisiert werden soll, also welche digitalen Prozesse die gewünschten Kundenerfahrungen potenziell sicherstellen.
In dieser Transformation nutzen clevere Unternehmen zudem alle Erfahrungen ihrer eigenen Mitarbeiter. Dabei zählen sowohl die positiven, im Sinne von Best Practices, als auch die durch die Pandemie offengelegten negativen, im Sinne von Room for Improvement, als wertvolle Grundlage, wo die Brüche und Verwerfungen liegen. Sie können wertvollen Input zu deren Behebung liefern.
Jetzt ist die beste Zeit für ein Großreinemachen, um sich für die Herausforderungen der Nach-Corona-Zeit optimal aufzustellen. Nur an einzelnen Bausteinen herumzudoktern, wird ebenso wenig reichen wie die Digitalisierung existierender Ressourcen und Prozesse. Nicht die Höhe des Aufwands entscheidet, sondern die Perspektive, aus der heraus die Rundumerneuerung angegangen wird.
Vorbild dafür sind Center-out Business Architekturen, bei denen alle Indikatoren und Aktivitäten wie Kundengruppen, Produktpaletten und Serviceangebote von der Customer & Mitarbeiter Experience hergedacht, konzipiert und umgesetzt werden. Sie wird darüber entscheiden, ob die richtigen Lehren aus der Pandemie gezogen, und sinnvoll umgesetzt wurden.